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Unterwelt

Unterwelt

Titel: Unterwelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Don DeLillo
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alles geht auf Pafko nieder.
    Thomson trottet in anständigem Tempo um die First Base, beim Laufen leicht vorgebeugt. Pafko wirft geschickt zu Cox.
    Thomson steuert mit gesenktem Kopf die Second Base an, erreicht sie mühelos und erblickt Lockman, der auf der Base steht und ihn wie verzaubert anstarrt, als läge ihm eine Frage auf der Zunge.
    Seit Tagen bleierner Himmel und die ganze Sendezeit der letzten Woche, die Halsschmerzen und der Husten, Russ ist fiebrig und verschwitzt – Zugfahrten und Nerven und kein bißchen Schlaf, und er beschreibt das Spiel in seiner vertrauten, gemütlichen Weitschweifigkeit, der Kartoffeln-mit-Soße-Stimme, die heute ein bißchen kratzig ist.
    Cox lugt unter seiner Mütze hervor und wirft den Ball aus der Hüfte zu Robinson.
    Sieh mal, Mays – schlendert zur Home Plate und läßt seinen Schläger am Boden schleifen.
    Robinson nimmt den Wurf an und wirbelt zu Thomson herum, der schüchtern etwa anderthalb Meter von der Second Base entfernt steht.
    Das mögen die Leute, wie Pafko das Papier vor die Füße fällt oder über seine Schulter segelt, an seiner Mütze hängenbleibt. Die Wand ist fast fünf Meter hoch, also ist er gut außer Reichweite der am weitesten vorgestreckten Hand, sie müssen sich damit zufriedengeben, ihn in ihrem Papier zu baden.
    Und da, Durocher auf der Spielerbank, der Cheftrainer der Giants, der knallharte Leo aus Saint Louis, ein Gesicht direkt aus den Gallischen Kriegen, und er faucht in seine Faust: »Kreuzverdammte Oberscheiße.«
    Nicht weit von der Spielerbank der Giants sitzen vier Männer in Leos höchsteigener Prominentenloge und schauen zu, als Robinson Thomson durch Berührung mit dem Ball »Aus« macht. Zu drei Vierteln sind sie aus dem Showgeschäft, Frank Sinatra, Jackie Gleason und Toots Shor, Trinkkumpane seit Adam und Eva, und sie haben einen gutgekleideten Mann mit einer Bulldoggenfresse dabei, einen gewissen J. Edgar Hoover. Was hat der oberste Sicherheitspolizist der Nation mit diesen Rüpeln am Hut? Tja, Edgar hat einen Gangplatz, und es scheint ihm bestens zu gehen, er grinst über das derbe Geplänkel, das pausenlos zwischen Schmalzdackel, Scherzbold und Spelunkenwirt hin und her geht. Auf dem Rennplatz wäre er lieber, aber in dieser Gesellschaft hat er schon gute Laune, egal an welchem Ort. Er hat gerne Kinostars und berühmte Sportler um sich oder Klatschpäpste wie Walter Winchell, der sich heute auch das Spiel anschaut, er sitzt bei den hohen Tieren der Dodgers. Ruhm und Heimlichkeit sind die entgegengesetzten Enden derselben Faszination, das statische Rauschen des Libidinösen in der Welt, und Edgar reagiert auf Leute, die diese Energie anzapfen können. Er möchte gern ihr treuergebener Freund sein, Hauptsache, ihr verborgenes Leben steht in seinen Geheimakten, gesammelte Gerüchte samt Register, in Wirklichkeit verwandelte Schattenfakten.
    Gleason sagt: »Was hab ich euch gesagt, Kumpels, heute ist Dodgerstag, das spür ich in meinen Brooklynknochen.«
    »Was für Knochen?« sagt Frank. »Alles vom Suff verrottet.«
    Thomsons ganzer Körper sackt zusammen, verliert Kraft und Festigkeit, und Robinson ruft »Time!« und trägt den Ball zum Werferhügel, in seinem typischen Gang übern großen Onkel, als könnte er nicht geradeaus laufen.
    »Die Giants müssen sich diesen Zwerg kaufen, wenn sie gewinnen wollen, wie heißt er gleich, jetzt kann sie nur noch irgendein Freak retten«, sagt Gleason. »Ein Erdbeben oder ein Zwerg. Und da wir hier nicht in Kalifornien sind, beten wir lieber gleich um einen Kobold in Hosen.«
    Frank sagt: »Sehr wixig.«
    Bei dem Thema wird Edgar nervös. Er ist empfindlich, wenn's um seine Größe geht, obwohl er zum sicheren Mittelfeld gehört. In den letzten Jahren hat er an Gewicht zugelegt, und wenn er sich beim Anziehen im Spiegel sieht, dickleibig und buddhaköpfig, dann erwidert ein kleiner runder Mann seinen Blick. Daß das stimmt, haben die Schreihälse von der Presse berichtet, als könnte einer seine Phantomqualen allein durch die Kraft des Wünschens veröffentlichen lassen. Und es ist eine Tatsache, daß Agenten, die größer als der Durchschnitt sind, heutzutage kaum Chancen auf einen Posten im Hauptquartier haben. Außerdem ist es eine Tatsache, daß der Zwerg, von dem sein Kumpel Gleason redet, der Einmeterzehn-Sportsmann, der vor sechs Wochen mit einer Bravourleistung, übrigens nach Edgars Ansicht auch ein Akt politischer Subversion, einmal für die Saint Louis Browns zum Schlag

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