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Vaeter und Soehne

Vaeter und Soehne

Titel: Vaeter und Soehne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ivan Sergejevich Turgenev
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Zweifel meine Aufrichtigkeit unpassend finden, allein erstens könnte das, was ich dir anvertrauen will, doch nicht geheim bleiben, und zweitens weißt du wohl, daß ich stets meine eigenen Ansichten über die Beziehungen zwischen Vater und Sohn gehabt habe. Nach all dem gebe ich übrigens zu, daß du das Recht haben würdest, mich zu tadeln … In meinem Alter … mit einem Wort … das junge Mädchen … von dem du wahrscheinlich schon hast sprechen hören …«
    »Fenitschka?« fragte Arkad ungezwungen.
    Kirsanoff errötete etwas.
    »Sprich den Namen nicht so laut aus, ich bitte dich. Ja … nun, sie wohnt jetzt im Hause; ich habe ihr … zwei kleine Stübchen eingeräumt. Übrigens kann alles wieder geändert werden.«
    »Warum denn? Papa, ich bitte dich!«
    »Wird dein Freund einige Zeit bei uns bleiben? Es wird etwas Verwirrung machen …«
    »Meinst du Bazaroffs wegen, so hast du unrecht. Er ist über all das hinweg.«
    »Nein, auch deinetwegen,« fuhr Kirsanoff fort. »Fatalerweise ist der Flügel des Hauses nicht in bestem Stand.«
    »Das wird sich finden, Papa; es kommt mir aber vor, als suchtest du dich zu entschuldigen. Was hast du doch für ein zartes Gewissen!«
    »Ja, ohne Zweifel, ich sollte mir ein Gewissen daraus machen,« meinte Kirsanoff, der mehr und mehr errötete.
    »Geh doch, lieber Vater, ich bitte dich!« erwiderte Arkad mit wohlwollendem Lächeln. ›Welche Idee, sich über so etwas entschuldigen zu wollen,‹ sagte der junge Mann zu sich selbst, und indem er diesem Gedanken nachhing, erwachte in ihm eine nachsichtige Zärtlichkeit für die gute und schwache Natur seines Vaters, mit einem gewissen Gefühl von geheimer Überlegenheit verbunden.
    »Sprechen wir von der Sache nicht weiter, ich bitte dich,« fuhr er fort, im unwillkürlichen Genuß jener geistigen Unabhängigkeit, die ihn so hoch über jede Art von Vorurteil erhob.
    Kirsanoff, der fortfuhr, sich die Stirne zu reiben, betrachtete ihn zum zweitenmal durch die Finger und fühlte es wie einen Stich im Herzen … allein er mußte sich doch selbst anklagen.
    »Hier beginnen unsere Felder,« hob er nach langem Schweigen an.
    »Und das Gehölz gegenüber, gehört uns das nicht auch?« fragte Arkad.
    »Doch; ich habe es aber eben jetzt verkauft und es wird vor Ende des Jahrs noch geschlagen werden.«
    »Warum hast du es verkauft?«
    »Ich hatte Geld nötig; übrigens werden ja ohnehin alle dieser Ländereien bald den Bauern gehören.«
    »Und diese zahlen dir keine Abgaben?«
    »Das ist die Frage; zuletzt werden sie wohl bezahlen müssen.«
    »Es tut mir leid um das Gehölz,« sagte Arkad, indem er sich umschaute.
    Das Land, durch das sie fuhren, war gerade nicht malerisch. Eine weite angebaute Ebene erstreckte sich bis zum Horizont, und der Boden erhob sich stellenweise nur, um sich bald wieder zu senken; in seltenen Zwischenräumen erschienen kleine Wäldchen, und etwas weiter ab schlängelten sich mit niedrigem vereinzeltem Gesträuch bekleidete Schluchten hin, die ziemlich getreu den Zeichnungen entsprachen, wie sie sich auf den alten, noch von der Regierung der Kaiserin Katharina herdatierenden Flurkarten finden. Hie und da stieß man auch auf kleine Bäche, von nackten Ufern, oder auf Weiher, von schlechten Dämmen eingehegt; dann kamen arme Dörfer, deren niedrige Häuschen schwarze, zerfetzte Strohdächer trugen; armselige Scheunen zum Dreschen des Getreides, mit Wänden aus geflochtenen Baumzweigen und enormen, vor leeren Tennen gähnenden Toren; Kirchen, die einen aus Backsteinen, deren Gipsüberzug am Abfallen war, die andern aus Holz, mit schiefstehenden Kreuzen am Giebel und von schlecht unterhaltenen Gottesäckern umgeben. Arkad fühlte sein Herz ein wenig beklemmt. Als ob es so hätte sein müssen, hatten alle Bauern, die ihnen in den Weg kamen, ein klägliches Aussehen und ritten auf kleinen Mähren. Die Weidenbäume an der Straße mit ihren zerrissenen Rinden und ihren abgeschnittenen Zweigen nahmen sich wie Bettler in Lumpen aus, Kühe mit ungebürsteten Haaren, mager und scheu, weideten gierig das Gras längs der Gräben ab; man hätte glauben sollen, sie seien eben irgendwelchen mörderischen Klauen entkommen, und mitten im Glanz des Frühlings mahnte der Anblick dieser armen Tiere an das weiße Gespenst des endlosen, unbarmherzigen Winters mit seinem Frost und seinen Schneestürmen. – »Nein,« sagte Arkad zu sich, »das ist keine reiche Gegend; sie zeigt nichts von Wohlstand, nichts von beharrlichem Fleiß; so

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