Vampire Earth 6 - Flug des Adlers

Kinder vernichtet.«
    »Und darum töten Sie jetzt die Kinder anderer Menschen?«
    »Das ist besser als die Alternative. Eine Kugel beendet die Geschichte. Dass einem aber die Seele in Stücke gerissen wird, Fetzen um Fetzen, Erinnerung um Erinnerung, dass über jede grässliche Tat gelacht, jede Freude verhöhnt wird … das hat niemand verdient.«
    »Ich dachte immer, die Seele gehört Gott.«
    »Vielleicht. Trotzdem partizipieren sie von der Essenz der Erfahrungen eines Lebens. Schluck für Schluck. Bleiben Sie bei mir. Anderenfalls, fürchte ich, werden auch Sie das herausfinden.«
    »Wie können Sie so viel darüber wissen?«
    »Er hat mich gezwungen, zuzusehen. Er hat jeden Moment davon genossen. Nur wegen eines sorglosen Gedankens, der sich gegen ihn gerichtet hat.«
    »Tut mir leid«, sagte Valentine.
    »Werden Sie demnach wieder in unserem Krieg kämpfen?«
    »In Ihrem Krieg.«
    Zum ersten Mal wirkte er verärgert. »Wortspielchen. Schön. Mein Krieg.«
    »Ich klopfe an die Tür, während Ihre Mörderbande durch das Fenster einsteigt.«
    »So würde ich das nicht nennen. Darf ich Ihnen noch etwas versprechen? Wenn Seattle zerstört ist, ist mein Krieg beendet. Ich werde mich zurückziehen, verschwinden, irgendwo anders ein unauffälliges Leben führen. Das Pazifikkommando kann weiterkämpfen oder sich auflösen.«
    Valentine senkte den Kopf. »Sie waren mir gegenüber höflich, also werde ich Ihnen nicht sagen, wohin Sie sich Ihr Angebot stecken können.«

    »Nun bin ich an der Reihe, Mitleid zu empfinden. Was mein ›Angebot‹ betrifft, ich bezweifle, dass das funktionieren würde. Meine Mitarbeiter betiteln mich mit diversen schillernden Ausdrücken, die alle etwas mit Analfixierung zu tun haben.«
    Sie starrten einander an.
    Valentine brach das Schweigen zuerst. »Also sind wir beide zu phlegmatisch, um wütend zu werden. Nur aus reiner Neugier: Wie war das mit dem Heldentum? Ich hatte keine Gelegenheit, mir einen Vortrag dazu anzuhören.«
    »Die Aktionsgruppen können nicht überallhin. Wir schicken regelmäßig Propagandamaterial weit nach Seattle hinein, zusammen mit gewissen Pillen, die einen schmerzfreien Tod ermöglichen, und ermutigen das Volk, das Richtige zu tun. Soweit ich weiß, haben Sie selbst etwas davon in ein schwer zu erreichendes Gebiet geflogen. Mit etwas Glück werden viele dieser Pillen benutzt werden. Die Namen dieser Leute werden in einer Heldenliste vermerkt und bei unseren Radiosendungen vorgelesen. Aber meine Zeit ist beinahe um. Ich hätte Sie gern zu einer weiteren Party im Ausblick eingeladen. Ich glaube, Sie haben schon an einer teilgenommen.«
    »Ich bin in meinem Zimmer geblieben.«
    »Ich bedauere, dass wir uns damals nicht begegnet sind. Bessere Umstände hätten unsere Bekanntschaft angenehmer gestalten können. Leben Sie wohl, David Valentine. Ihre Theorie über die Unantastbarkeit der Seele wird in Kürze erprobt werden.«

12
    S ammelfahrzeuge: Valentine waren alle Variationen dieser Fahrzeuge in den Monaten und Jahren seiner Reisen durch die kurischen Zonen begegnet. Er hatte Busse mit verriegelten Fenstern in Chikago gesehen und lange, mit Ketten verbundene Jochbalken für Gefangene auf Hispaniola. Er hatte den Blick von den Vans in Wisconsin und den gepanzerten Wagen in Louisiana abgewandt. Das Prinzip war immer das gleiche, ob die Gefangenen nun auf abgenutzten Stoßdämpfern über verschneite alte Interstates in den Dakotas fuhren oder von Pferden über eine Provinztrasse in Alabama gezogen wurden: Diejenigen, die zu den Schlächtern gebracht wurden, sollten vom Rest der Gesellschaft separiert werden. Wie so vieles unter der kurischen Herrschaft beruhte auch das auf einer einfachen Mischung aus Blendwerk der neuen Herrscher und vorsätzlicher Blindheit auf Seiten ihrer Untertanen. Versteck den Inhalt der Viehlaster auf dem Weg zum Schlachthaus und gestatte jenen, die das Pech haben, einen dieser Transporte mitzubekommen, sich mit einer Lüge zu trösten.

    Valentine hatte mehr davon gesehen, als er sich in Erinnerung rufen mochte. Aber in dieser kalten Novembernacht saß er zum ersten Mal selbst in einem Sammelfahrzeug.

    Der Austausch fand um Mitternacht auf einer kleinen, baufälligen Brücke über den Fluss statt. Drei Bären in schicken Uniformen von der Farbe eines bedeckten Himmels zerrten Valentine aus einem Betonbunker und ketteten ihn an zwei andere Unglückliche, vorn ein Mann, dann in der Mitte eine Frau und zum Schluss er selbst. Der Mann trug