Vampyrus
und schreibt Ragnar Sigurd Leinfeld mit Blut auf das Vampyrus. Der Minister fühlt ein merkwürdiges Ziehen in sich. Dann Leere, das Gefühl eines großen Verlustes, schlimmer als damals, als seine Mutter starb, viel schlimmer. Doch bevor ihn das Grauen überwältigen kann, ebbt das Gefühl plötzlich ab, verflüchtigt sich wie Nebel in der Morgensonne. Er fühlt sich leicht. Unterdessen schreibt der Meister weiter auf das Pergament. Natürlich wird Ragnar Leinfeld hinter den Konzernen stehen, sie unterstützen. Schließlich schaffen sie Arbeitsplätze, man muss Kompromisse eingehen. Er wird seinen Stellvertreter Meister Varn vorstellen, er sollte ihn kennenlernen, unbedingt. Von den Fesseln befreit schlendert Minister Leinfeld zum Taxistand. Unbegreiflich, warum er sich jemals Sorgen gemacht hatte.
Doreen Kühne & Peter Hellinger
Das Grimoire
L angsam senkte sich die Nacht über Venedig. Auf dem letzten Teilstück des Murazzi, der steinernen Verteidigungsanlage zwischen dem Meer und der Lagune, packten die Arbeiter ihr Werkzeug zusammen. Überall in der Stadt entzündete man Fackeln und Laternen, Lichter an den zahlreich umherfahrenden Booten warfen ihren Schein auf das Wasser der Kanäle und in den Häusern erhellten Kerzen das opulente Treiben in den Ballsälen.
Am Kai des Palazzo di Testa, etwas abseits vom Trubel am Canale di Cannaregio legten Gondeln an, denen Gäste in prächtigen Kostümen entstiegen. Ein in elegantes Schwarz gekleideter, maskierter Herr und seine Begleiterin, in nicht weniger eleganter Robe und Maske, eilten von der Anlegestelle hinüber zu einer kleinen Freitreppe, die zum hinteren Gebäudeteil des Palazzo führte. Ein Diener in der Livree des Hauses di Testa trat ihnen in den Weg. Der Mann in Schwarz reichte ihm einen kleinen Lederbeutel mit Münzen, der Diener nickte, und bedeutete den beiden, ihm zu folgen.
Der Lakai führte die Besucher die Treppe hoch, vorbei am Ballsaal, aus dem lautes Gelächter und heitere Musik drang. Doch das Paar und ihr Führer hatten keinen Sinn für das rege Treiben des Balls. Weiter ging es einen langen Korridor hinab, an dessen Wänden Porträts der Vorfahren des jetzigen Conte di Testa hingen, bis sie an einem Privatkabinett anlangten. Mit einer Handbewegung bedeutete der Diener dem Paar zu warten, während er durch die Flügeltür das Kabinett betrat, um den Besuch bei seinem Herrn anzukündigen. Dann bat er die beiden hinein, schloss die Tür hinter ihnen und wartete geduldig im Korridor auf weitere Anweisungen seines Herrn.
Hinter einem massiven Schreibtisch, auf dem zahlreiche Dokumente und Bücher lagen, saß ein Mann jenseits der siebzig. Sein faltiges Gesicht wies Ähnlichkeiten mit den Porträts im Korridor auf. Offenbar handelte es sich um den Conte di Testa persönlich. Valerius nahm seine Maske ab und auch Anastas ließ ihre an einem Stab befestigte Halbmaske sinken. Der alte Mann betrachtete die beiden nachdenklich. Dann begann er zu sprechen.
„Man sagte mir, Ihr wollt ein bestimmtes Buch erwerben?“
„So ist es, Euer Gnaden“, antwortete Valerius.
„Nun …“, der Alte hustete, „ein Buch mit einer recht interessanten Geschichte, wie ich hörte?“
„Man hört vieles, Euer Gnaden. Nicht alles entspricht der Wahrheit.“ In Valerius Stimme schwang Vorsicht mit.
Der Alte hustete wieder, wischte sich mit einem Spitzentuch die Lippen ab und lächelte.
„Bücher gehen so leicht verloren, nicht wahr, Signore? Besonders in – wo sagtet Ihr, wäre Eure Heimat?“
Valerius warf Anastas einen warnenden Blick zu. Ahnte der Alte, wer sie in Wirklichkeit waren?
„Euer Gnaden, wir wären bereit einen angemessenen Preis für das Buch zu bezahlen. Wenn es das gesuchte Buch ist, versteht sich.“
„Ja, ja!“ Der Alte rieb sich die Hände. „Der angemessene Preis. Das ist die spannende Frage, nicht wahr?“ Wieder warf Valerius Anastas einen raschen Blick zu. „Wenn Ihr das Buch wollt, Signore, so müsst Ihr mir einen Dienst erweisen.“ Wieder hustete er in sein Spitzentaschentuch. Seine Hand zitterte.
„Wie Ihr seht, bin ich nicht gerade bei bester Gesundheit. Mein Medicus tut zwar, was in seiner Macht steht, aber letztendlich wird es nicht mehr lange dauern. Und gegen das Gift eines Dogen ist auch der beste Leibarzt machtlos.“
„Paolo Renier ließ Euch vergiften?“, fragte Anastas.
„Es ist alte Tradition hier in Venedig, Signora. Man legt sich nicht mit den Inquisitori oder dem Dogen an. Wer es dennoch tut … Nun, das
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