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Verbrechen und Strafe (Übersetzung von Swetlana Geier)

Verbrechen und Strafe (Übersetzung von Swetlana Geier)

Titel: Verbrechen und Strafe (Übersetzung von Swetlana Geier) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor Michajlowitsch Dostojewskij
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Gesicht, auf dem der Widerschein des ausgehenden Lichtes zitterte, machte einen krankhaften Eindruck. Raskolnikow hielt sie für dreißig Jahre alt, und sie paßte auch gar nicht zu Marmeladow ... Die Eintretenden hatte sie weder gehört noch gesehen; sie war wie geistesabwesend und schien nichts zu hören und zu sehen. Im Zimmer war es dumpf, sie hatte aber das Fenster nicht geöffnet; von der Treppe her stank es, doch die Tür zur Treppe stand offen; aus den inneren Räumen drangen durch die offene Tür Wolken von Tabakrauch herein, sie hustete, machte aber diese Tür nicht zu. Das jüngste Mädchen, etwa sechs Jahre alt, schlief auf dem Fußboden zusammengekauert, den Kopf ans Sofa gelehnt. Ein Junge, ein Jahr älter als sie, zitterte in einer Ecke am ganzen Leibe und weinte. Offenbar hatte er eben Schläge bekommen. Das älteste Mädchen, an die neun Jahre alt, hochaufgeschossen und dünn wie ein Streichholz, stand im bloßen, fadenscheinigen und zerrissenen Hemdchen, ein altes Mäntelchen aus Drap-de-dames, das wohl vor zwei Jahren gemacht worden war, weil es ihr jetzt nicht mal bis zu den Knien reichte, über die bloßen Schultern geworfen, in der Ecke neben dem kleinen Bruder und umschlang mit ihrem langen, wie ein Streichholz dürren Arm seinen Hals. Sie schien ihn beruhigen zu wollen; sie flüsterte ihm etwas zu und hielt ihn auf jede Weise zurück, damit er nicht wieder zu weinen anfange, und verfolgte zugleich ängstlich mit ihren auffallend großen dunklen Augen, die in dem ausgemergelten und erschrockenen Gesichtchen noch größer aussahen, die Mutter. Marmeladow kniete, ohne in das Zimmer zu treten, in der Tür nieder und schob Raskolnikow vor. Als die Frau den Fremden erblickte, blieb sie zerstreut vor ihm stehen; sie kam für einen Augenblick zur Besinnung und schien sich zu fragen: wozu ist er hergekommen? Aber sie sagte sich wohl gleich darauf, daß er in ein anderes Zimmer wolle, da das ihrige doch ein Durchgangszimmer war. Nachdem sie sich dies überlegt hatte, schenkte sie ihm keine weitere Beachtung und ging zu der Flurtür, um sie zu schließen; plötzlich erblickte sie ihren auf der Schwelle knienden Mann und schrie auf.
    »Ah!« schrie sie wütend. »Du bist zurückgekommen! Zuchthäusler! Verbrecher! ... Und wo ist das Geld?! Was hast du in der Tasche? Zeig' es her! Das sind auch nicht deine Kleider! Wo sind deine Kleider? Wo ist das Geld? Sprich! ...«
    Und sie fing ihn zu durchsuchen an. Marmeladow streckte sofort gehorsam und demütig die Arme nach beiden Seiten aus, um ihr die Durchsuchung der Taschen zu erleichtern. Vom Geld war keine Kopeke mehr da.
    »Wo ist denn das Geld?« schrie sie. »O Gott, hat er denn alles vertrunken?! Zwölf Rubel waren ja im Koffer übrig geblieben! ...«
    Und plötzlich packte sie ihn wie rasend an den Haaren und schleppte ihn ins Zimmer. Marmeladow erleichterte ihr selbst die Mühe, indem er ihr demütig auf den Knien nachrutschte.
    »Und das ist mir ein Genuß! Und das ist mir kein Schmerz, sondern ein Ge-nuß, sehr ge-ehr-ter Herr!« schrie er, während sie ihn an den Haaren herumzerrte und er sogar einmal mit der Stirn gegen den Boden anschlug.
    Das Kind, das auf dem Fußboden schlief, erwachte und fing zu weinen an. Der Junge in der Ecke hielt es nicht länger aus: er fing zu zittern an, schrie auf und stürzte in furchtbarer Angst, beinahe in einem Krampfe, zu seiner Schwester hin. Das älteste Mädchen fuhr wie aus dem Schlafe auf und zitterte wie Espenlaub.
    »Vertrunken! Alles, alles vertrunken!« schrie die arme Frau in ihrer Verzweiflung. »Auch die Kleider sind hin! Und die sind hungrig, hungrig! (sie zeigte händeringend auf die Kinder). O, dieses verfluchte Leben! Und Sie, Sie schämen sich nicht?« wandte sie sich plötzlich zu Raskolnikow: »Aus der Schenke! Du hast mit ihm getrunken? Auch du hast mit ihm getrunken?! Hinaus!«
    Der junge Mann beeilte sich, ohne ein Wort zu sagen, hinauszugehen. Da ging auch noch die Innentür sperrweit auf, und aus ihr blickten mehrere Neugierige herein. Freche, lachende Gesichter, mit Zigaretten und Pfeifen zwischen den Zähnen und Kappen auf dem Kopfe, drängten sich in die Tür. Man sah Gestalten in offenen Schlafröcken, in sommerlicher Kleidung, die beinahe unanständig war, manche mit Karten in der Hand. Sie unterhielten sich besonders gut und lachten, wenn der an den Haaren herumgezerrte Marmeladow schrie, daß dies ihm ein Genuß sei. Manche traten sogar ins Zimmer; schließlich erklang ein

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