Verführung in weißer Seide
Lucia zu fahren. Und gestern Nacht hinterlässt er mir eine Nachricht, dass er die Reise verschiebt. Kein Wort über seine Heirat. Männer sind wirklich Schweine.”
Ein Kameramann fing an, Lacey zu filmen, und die Reporter schrieben wie wild mit, während sie sprach. “Dann würden Sie also sagen, diese Verlobung kommt sehr plötzlich?”
“Allerdings. Von dieser Tess McCrary habe ich erst gehört, als ich heute früh den Fernseher angeschaltet habe.”
Tess verdrückte sich in eine Nische. Diese Reporter waren wegen Coles Heiratsplänen hier, und ihr Name war im Fernsehen gefallen. Hoffentlich hatte ihr Vater das nicht gesehen.
Besorgt ging Tess zum Telefon und rief Kristen an. So leise wie möglich fragte sie: “Kris, habt ihr heute schon ferngesehen?”
“Nein. Daddy und ich haben lange Karten gespielt.”
“Gut so. Lass ihn weder fernsehen noch Radio hören. Und auch keine Zeitung lesen.” Nach einer kurzen Erklärung legte sie auf und wandte sich zum Ausgang. Sie musste nach Hause und ihrem Vater von ihren Plänen erzählen, bevor er es in den Nachrichten mitbekam.
Lacey LaBonnes Stimme war jetzt deutlich zu hören, weil sämtliche Reporter sie schweigend umringten. “Wenn Cole mich wegen einer Besseren verlassen hätte, könnte ich das verstehen. Aber haben Sie diese Frau gesehen? Sie sieht wie eine verhärmte Lehrerin aus.”
Tess seufzte. Anscheinend hatte man im Fernsehen ihr Foto aus dem Jahrbuch der Universität gezeigt. Nicht gerade eine schmeichelhafte Aufnahme, aber eine verhärmte Lehrerin? Immerhin war Tess Mitglied des Ausschusses gewesen, der über die Vergabe von finanziellen Beihilfen für Studenten entschied.
Gerade wiederholte Lacey ihre Meinung über die Männer im Allgemeinen, als ein blonder Reporter sich Tess in den Weg stellte. Prüfend sah er sie an. “Sind Sie nicht Tess McCrary?”
“Ich?”
“Sie ist es”, bestätigte jemand anders, und sofort stürzte die Reportermeute sich auf Tess. Man hielt ihr Mikrofone ins Gesicht, und sie wurde von den Blitzlichtern geblendet.
“Verraten Sie es uns, Tess. Wie hat Cole Ihnen den Antrag gemacht? Wussten Sie von den Bedingungen im Testament seines Vaters?”
“Kannten Sie ihn schon vor dem Antrag?”
“Hat er Ihnen Geld geboten, damit Sie ihn heiraten? Wenn ja, wie viel?”
“Ist es nur eine Ehe auf dem Papier, oder haben Sie zugestimmt, die Ehe zu vollziehen?”
“Bezahlt er Sie dafür extra?”
Vor Verlegenheit wurde Tess rot. Das klang so, als würde sie gegen Geld mit Cole schlafen. Bevor sie allerdings einen zusammenhängenden Satz herausbringen konnte, entdeckte sie Cole am Rand der Menschentraube.
Sie beobachtete, wie er sich durch die Menge der Reporter drängte. Sein Haar glänzte, und sein ruhiges Gesicht drückte Autorität aus. Hier wirkte er noch größer und beeindruckender als gestern in Tess’ Wohnzimmer. Und er kam direkt auf sie zu.
Tess drängte sich ihm entgegen. Er achtete gar nicht auf die vielen Fragen und zog Tess nur wortlos an sich. Beschützend legte er ihr den Arm um die Schultern. Alle Reporter versuchten, seine Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, doch Cole ging gelassen auf einen Durchgang zu, vor dem ein Wachmann stand.
Tess schmiegte sich an Cole und fragte sich unwillkürlich, ob Lacey sie beobachtete. Wie dumm von mir, sagte sie sich sofort. Wenn Cole die freie Wahl hätte, würde er jetzt Lacey bei sich haben. Und was wollte sie, Tess, schon von einem verschlagenen Geschäftmann wie Cole?
“Tut mir leid, Leute, aber im Moment haben wir keine Zeit für Fragen”, verkündete Cole mit seiner tiefen Stimme. “Lassen Sie mir zwanzig Minuten, dann treffen wir uns alle im hinteren Speisesaal. Ich spendiere auch Kaffee und Zitronenkuchen. Berta, bitte führen Sie alle Medienvertreter mit Presseausweis in den Magnolien-Raum.”
Damit war die Meute zufrieden. Cole drängte Tess an dem Wachmann vorbei und eine Treppe hinauf. Die ganze Zeit über ließ er sie nicht los. Tess’ Knie zitterten leicht, doch sie hätte nicht sagen können, ob das an dem Überfall der Presseleute lag oder an Coles Nähe.
Als sie den oberen Flur erreichten, zog Cole Tess in ein großes, aber überraschend schlicht eingerichtetes Büro. Auf dem alten Holzboden lag ein abgetretener Orientteppich, und der Schreibtisch war übersät mit Unterlagen und Notizen. Auf einem anderen Tisch stand ein Computer. Alte Eichenregale säumten die Wände, und nur die große Glastür verlieh dem Raum etwas Besonderes. Durch
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