Vergiftet
räumen.
Mit Brenden hatten sie gewaltiges Glück. Die E-Mail, die er von Mia Sikvelands PC geschickt hat, ist laut Flurim Ahmetaj an einen Journalisten gegangen, der nach Mjønes Informationen noch im Koma liegt. Das Geld hat er bekommen. Zweieinhalb Millionen auf dem Konto, zusätzlich zu den Nullen, die schon dort geparkt sind. Das sollte eine Weile reichen. Und da er sein Geld wider Erwarten ohne Mucken bekommen hat, muss er sich auch keine weiteren Gedanken um Goofy machen. Seine Skepsis war offenbar unbegründet.
Gut.
Nach dem Essen bestellt Mjønes unter einer seiner falschen Identitäten ein einfaches Flugticket nach Marrakesch. Ein Ort, der ihn schon immer gereizt hat. Danach fährt er mit der S-Bahn zum Sandaker-Center und geht zurück in Richtung Torshov Sport . Er beobachtet die parkenden Autos, sieht aber niemanden dort sitzen und auf jemanden warten. Auch nicht hinter den Fenstern oder auf den Dächern. Mjønes geht den Sandakerveien bis zur Recyclingstation am Bentsehjørnet, wo die Busse in Richtung Sagene vorbeidonnern. Dort dreht er sich um hundertachtzig Grad und zieht dasselbe Manöver noch einmal durch, mit dem gleichen Ergebnis.
Trotzdem wird er nervös, als er sich der Wohnung nähert, in der er das letzte halbe Jahr gewohnt hat. Wäre dies ein Auftrag oder Einbruch, würde er das Ganze auf der Stelle abbrechen. Das tut er grundsätzlich beim leisesten Hauch negativer Schwingungen, und sicher ist das auch einer der Gründe, weshalb er seit sieben, acht Jahren nicht mehr im Knast gelandet ist.
Mjønes sieht sich erneut um. Er muss das heute erledigen, denkt er. Die Beweise müssen weg. Und es dauert ja nur ein paar Minuten.
Er schaut sich ein letztes Mal um, ehe er aufschließt.
In der Wohnung schlägt ihm eine warme Wand aus abgestandener Luft entgegen, er hütet sich aber, die Fenster aufzureißen. Man weiß ja nie, ob die Wohnung nicht doch observiert wird. Er überlegt, was er mitnehmen muss. Spezialisten können sicher das Recherchematerial wiederherstellen, das er in Bezug auf Pulli gesammelt hat, obgleich er sein Bestes getan hat, alle Spuren von seinem Computer zu löschen. Wenigstens die Festplatte sollte er einstecken.
Mjønes geht ins Schlafzimmer, in dem die Dachschräge bis zum Boden reicht. Der muffige Geruch erinnert ihn an den Schweinestall, in dem Durim wohnt. Er tritt an den großen weißen Kleiderschrank, schiebt die Tür auf, kniet sich davor und öffnet den grauen Safe mit dem vierziffrigen Code. Als Erstes packt er einige Eurobündel in seinen Rucksack. Dann nimmt er das Kästchen mit der Ampulle heraus und klappt den Deckel hoch.
Es hat Grips und Kreativität erfordert, eine Methode zu finden, mit der Tore Pulli auf schnelle, stille und effektive Weise um die Ecke gebracht werden konnte. Dass Mjønes dafür bis nach Kolumbien reisen musste, war ein Spaß gewesen. Er hatte einen Sinn für das Exotische, Primitive und zugleich Raffinierte.
Als er das Kästchen und den Safe schließen will, hört er hinter sich Schritte.
»Ørjan Mjønes?«, ertönt eine ihm fremde Stimme.
Verdammt.
Weitere Schritte. Mehrere Schuhpaare. Bullen, denkt er. Scheiße! Für den Bruchteil einer Sekunde wägt er die Situation ab. Eine Waffe wäre nicht schlecht, aber daran hat er nicht gedacht. Doch, er hält eine in der Hand, wenn ihm auch das Wichtigste fehlt, eine Nadel oder etwas anderes, womit er die Haut durchstechen könnte. Die Packung mit den Piercingnadeln liegt im Safe, aber er wird es nicht schaffen, das Plastik um die Nadel zu entfernen, die Ampulle zu öffnen und die Nadel in das Gift zu tauchen. Mehrmals, und das nur mit einem Arm, schließlich hat er es mit zwei Polizisten zu tun.
Mjønes flucht innerlich.
»Stehen Sie auf, langsam.«
Mjønes gehorcht, dreht sich um und sieht in das Gesicht eines Mannes, der ihm irgendwie bekannt vorkommt. Groß. Kräftig. Muskulös. Und hinter ihm ein Mann mit ähnlicher Physis. »Wer sind Sie?«, fragt er, während seine Gedanken Achterbahn fahren.
»Sie sind festgenommen«, sagt der mit den etwas blonderen Haaren.
»Warum?«
»Verdacht auf Beihilfe zum Mord.«
Mjønes antwortet nicht, sieht sie nur an, registriert, wie sie sich positionieren. Mjønes denkt an seine Schulter, an das Geld, an das Kästchen mit der Ampulle. Denk schnell, sagt er zu sich selbst. Nutz deine Stärke. Finde eine rasche Lösung.
Unbemerkt nimmt er die Ampulle heraus und lässt sie in seine Hosentasche gleiten, bevor er sich zu den Polizisten
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