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Vergiftet

Vergiftet

Titel: Vergiftet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Enger
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zwischen Hagen und Fredrik Stang. Stang ist noch nicht da, soweit Brogeland es sehen kann. Es irritiert ihn, dass Hagen immer so verdammt frisch aussieht.
    »Was ist passiert?«, fragt Brogeland.
    »Mann Anfang dreißig, fünf Schüsse.«
    »Fünf Schüsse?«
    »Ja. Bisher habe ich nur mit einem der Nachbarn gesprochen, der hat aber nichts gehört.«
    »Fünf Schüsse, und er hat nichts gehört?«, fragt Brogeland ungläubig.
    Hagen zuckt mit den Schultern. »Schalldämpfer, vielleicht.«
    »Hm. Kaliber?«
    »Neun Millimeter. Die Wohnung gehört einem Robert van Derksen, und vermutlich ist das auch der Mann, der da oben liegt.«
    Brogeland dreht sich um. Der Name kommt ihm bekannt vor, denkt er, als er in den Innenhof geht. Bewohner schauen aus offenen Fenstern zu ihm hinunter. Ein Blumenbeet neben van Derksens Hauseingang sieht aus, als wäre es von einem Hund verwüstet worden. Vor dem Eingang ist Erde verteilt.
    »Gibt es Spuren?«
    »Einen Fußabdruck vor der Wohnungstür.«
    »Der nicht von van Derksen stammt?«
    »Das muss sich noch zeigen«, sagt Hagen und schüttelt den Kopf. »Aber ich glaube nicht. Das sah nach einer kleineren Schuhgröße aus.«
    Heidis Mitteilung erreicht Henning, als er gerade aufbrechen will. »Mord in der Vibes gate 2. Kannst du hinfahren?«
    Henning ruft sie zurück, statt mit einer SMS zu antworten. Heidi bringt ihn gleich auf den aktuellen Stand, und er macht sich ein paar Notizen.
    »Fährst du?«, fragt Heidi.
    »Okay …« Er seufzt.
    Eigentlich hat er vorgehabt, den Tag mit den neuesten Nachrichten über Ørjan Mjønes zu beginnen, nachdem er am Abend zuvor mit 6tiermes7 gechattet hat. Das muss dann eben warten. Er wird ihm kaum jemand zuvorkommen, bis er in Majorstua fertig ist.
    Bevor er das Haus verlässt, klickt er sich noch kurz ins Telefonbuch ein und schreibt Vibes gate 2 ins Suchfeld. Es dauert sicher noch eine Weile, bis die Polizei die Identität des Opfers bekannt gibt, denkt er. Er druckt die beiden Seiten mit den Treffern aus und überfliegt rasch die Namen. Bei einem bleibt sein Blick hängen.
    »Ach du Scheiße«, sagt er leise.
    Mehrere seiner Kollegen sind bereits vor Ort. Henning geht zum Einsatzleiter der Polizei, einem großen Mann in Uniform, der stramm dasteht und protokollarisch auf alle Standardfragen antwortet. Henning formuliert seine Frage, bekommt aber keine konkrete Antwort. »Es ist noch zu früh, dazu etwas zu sagen. Wir befinden uns noch in der Phase der Spurensicherung.« Das Übliche.
    Nach einer Weile kommt Bjarne Brogeland aus dem Gebäude und verschwindet in einer Seitenstraße. Henning vergewissert sich, dass niemand ihm folgt, und holt Brogeland in dem Moment ein, als er in seinen Dienstwagen steigen will.
    »Ihr habt momentan ja ordentlich zu tun«, beginnt Henning. »Erst die Festnahme von Ørjan Mjønes, dem Mann, der für Tore Pullis Tod gesorgt hat, und dann wird einer von Pullis Bekannten am selben Tag umgebracht, nachdem er sich auf dessen Beerdigung mit einem von Pullis Freunden gestritten hat.«
    Brogeland sieht Henning scharf an. »Was willst du damit sagen?«
    Henning erzählt von dem Handgemenge zwischen Robert van Derksen und Petter Holte.
    »Und die Leiche da oben ist Robert van Derksen, habe ich recht?«
    Brogeland seufzt. »Du darfst seinen Namen noch nicht nennen, Henning. Noch nicht.«
    »Schon gut. Wann?«
    »Ich weiß es nicht. Wir haben noch nicht einmal die Familie verständigt.«
    »Okay, ich halte die Information zurück, bis du grünes Licht gibst. Aber ich will es vor der offiziellen Pressemitteilung erfahren.«
    Brogeland sieht Henning einen Augenblick lang eindringlich an, ehe er sich in sein Auto setzt. Als er den Zündschlüssel dreht, schaut er zu Henning hoch und nickt.
    104
    Der Dienstwagen fährt ohne Blaulicht, aber in hohem Tempo los. Henning sieht ihm nach, bis er hinter der Kurve verschwunden ist. Dann angelt er sein Handy aus der Tasche und ruft Heidi Kjus an. Er weiß, dass sie es hasst, Telefonzentrale für Außenreporter zu spielen, aber dieses Mal nimmt sie diese Aufgabe wahr, ohne zu murren. Sie kommentiert nicht einmal die unvermeidlichen Aussagen der Nachbarn. Abschließend fragt sie, ob er in die Redaktion kommt.
    »Nein, ich bin hier noch nicht ganz fertig«, lügt er.
    In der Vibes gate kann er nicht mehr viel ausrichten, aber er hat andere Pläne, die er im Moment noch nicht mit Heidi teilen möchte.
    Henning hält ein Taxi an und lässt sich in die Niels Henrik Abels gate chauffieren.

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