Verräterische Lippen
denken sie immer nur an Sex .«
»Das
könnte einfach eine Reaktion auf Sie ganz persönlich sein«, meinte ich
aufrichtig. »Ich kann mir keinen Mann vorstellen, der Sie ansieht und etwas
anderes denkt .«
»Meine
Haut ist zu blaß, meine Augen sind zu hell, und ich bin zu mager. Dieser
Meinung sind viele Männer — allerdings ist keiner davon Amerikaner. Sehen Sie,
wie relativ das alles ist? Ich bin nur eine Frau. Es kommt auf den Mann an, wie
sehr...«
»Bourbon ?« fragte ich schwach.
»Ja,
bitte.«
Ich
war mir nicht sicher, ob ich ihren Augenausdruck so interpretierte, wie er
gemeint war, oder wie ich ihn mir zu deuten wünschte. Sie lächelte, als sie mir
das Glas aus den zitternden Fingern nahm.
»Sind
Sie eine Agentin, die meine Loyalität gegenüber der Regierung testen soll, oder
hat Ihr Besuch sonst irgendwelche finsteren Gründe ?«
»Mein
Motiv ist weder finster noch patriotisch, Señor Roberts«, erwiderte sie
entschieden. »Sicher sind Sie mit einem gewissen Profitdenken vertraut .«
»Seit
meiner Schulzeit schon«, versicherte ich.
»Sie
suchen Señorita Mendez ?«
»Wenn
Sie das nicht wüßten, wären Sie wohl kaum hier«, parierte ich.
»Sie
haben recht. Wir wissen alles über Sie. Wollen Sie uns bezahlen, wenn wir Ihnen
verraten, wo Sie die Señorita finden ?«
»Wer
ist, wir ?«
»Sie
werden ihn treffen, wenn Sie unseren Bedingungen zustimmen .«
»Ihren
Mann?« Das Wort ging mir nur schwer über die Lippen.
»Meinen
Bruder.«
»Was
sind Ihre Bedingungen ?«
»Zehntausend
Dollar in bar.«
»Woher
wissen Sie ihren Aufenthaltsort ?«
»Ich
habe für einen Mann gearbeitet, in seinem Haus, als Dienstmädchen. Vor acht
Tagen wurde eine junge Frau in dieses Haus gebracht. Niemand weiß, daß ich sie
gesehen habe. Ich war in der Speisekammer und knipste das Licht aus, als ich
hörte, wie sie mit ihr hereinkamen. Seitdem wird sie in einem verschlossenen
Zimmer festgehalten. Aber die Köchin hat jeden Tag Essen für sie gemacht .«
»Sind
Sie sicher, daß es sich um Señorita Mendez handelt ?«
»Ich
habe ihr Foto gesehen .«
»Und
Sie wollen mir für zehntausend Dollar verraten, wo sich dieses Haus befindet ?«
»Das
ist doch nicht zuviel, nicht wahr? Für das Leben der Präsidententochter?« Sie nahm
einen Schluck aus Ihrem Glas und lächelte mich unschuldig an.
»Und
was ist, wenn ich Sie hier festhalte und die Polizei rufe? Sie werden
gezwungen, das Versteck von Señorita Mendez preiszugeben, und kommen außerdem
ins Gefängnis .«
Sie
musterte mich mißbilligend. »Ich habe Sie auf Anhieb für einen fairen Mann
gehalten. Wenn jemand etwas von Wert besitzt, hat er das Recht, dafür einen
angemessenen Preis zu verlangen. Finden Sie das nicht ?«
»Selbst
wenn ich das fände, bezweifle ich, daß auch Manuel Rodriguez dies tut .«
»Er
ist Politiker .« Sie verzog verächtlich den Mund. »Er
würde solche Erwägungen nicht verstehen .«
»Sie
haben mir meine Frage noch nicht beantwortet«, sagte ich. »Was würde passieren,
wenn ich die Polizei rufe ?«
»Mein
Bruder würde die Leute warnen, die Señorita Mendez gefangenhalten .
Dann würden sie sie töten oder woanders hinbringen .«
Ich
nickte. »Das klingt einleuchtend. Okay, Sie haben ein Geschäft gemacht. Immer
vorausgesetzt, daß ich das Geld auftreiben kann. Aber Sie müssen mir vertrauen .«
Um
ihre Lippen zuckte ein amüsiertes Lächeln. »Warum?«
»Falls
sich die Regierung bereiterklärt, das Geld zu bezahlen — was sie zweifellos tun
wird — , kann ich es Ihnen nicht aushändigen, bevor
ich sicher bin, daß sich Señorita Mendez wirklich am angegebenen Ort auf hält.«
Ich schenkte mir Bourbon nach. »Sie müssen mir vertrauen, daß ich Ihnen das
Geld übergebe, sobald ich weiß, daß Sie die Wahrheit gesagt haben .«
Sie
stellte ihr Glas auf die winzige Barplatte. »Sehen Sie mich an«, forderte sie
mich auf. »Glauben Sie, ich würde Sie belügen ?«
»Eine
Frau, die so schön ist wie Sie, könnte völlig auf die Wahrheit verzichten«,
erklärte ich überzeugt.
Sie
seufzte. »Also gut, Señor Roberts. Ich bekomme die erste Hälfte, wenn ich Ihnen
sage, wo das Mädchen festgehalten wird, und die zweite, wenn Sie es gefunden
haben. Ich werde Ihnen vertrauen .« Sie kam näher an
mich heran und legte mir die Arme um den Hals. Ihr warmer Atem brannte an
meinen Wangen. »Aber mein Bruder wird Sie umbringen, wenn Sie mein Vertrauen
enttäuschen .«
Statt
mir über den Bruder Gedanken zu machen, hielt ich sie
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