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Verschollen im Taunus

Verschollen im Taunus

Titel: Verschollen im Taunus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Demant
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Brandlöcher, da auch Feuer, überlegte er. Zumindest gewesenes Feuer, ergänzte er, und fühlte sich angesichts seines intakten Kombinationsvermögens gleich ein wenig wohler. Zum zweiten Mal richtete er seinen Oberkörper auf und unterzog die nähere Umgebung einer exakten Analyse. Nirgendwo waren verrußte Baumstämme oder Holzkohle zu sehen. Dafür war sein rechter Fuß blutverschmiert. Welke Blätter vom Vorjahr hafteten an ihm und Ameisen benutzten ihn als Autobahn. Mit dem gesunden Linken säuberte er ihn so gut es eben ging. Als er ihn dann jedoch zu bewegen versuchte, indem er die Zehen nach hinten bog, durchfuhr ein so großer Höllenschmerz seinen Körper, daß er flugs wieder davon abließ. In guten Zeiten pflegte er stets zu sagen, Gehen geht auf die Gelenke, ich liege lieber. Doch es waren schlechte Zeiten und Gehen ging partout nicht. Ein Krankenwagen wäre jetzt nicht schlecht, sinnierte er. Außerdem wüßte er gerne die Uhrzeit, damit hätte sich ausrechnen lassen, wie lange es noch bis zum Sonnenuntergang war. Nicht daß ihn vor der Nacht graute, er war gerne nachts unterwegs, aber hier fehlte eindeutig die Bewirtung in Form einer Bembel schwingenden Bedienung. Es war nur so, daß er nicht wußte, wo er war. Auch wenn alles an ein klassisches deutsches Mittelgebirge erinnerte, wer weiß? Bären, verwilderte Pitbullterrier, Kreuzspinnen, Wölfe und anderes abscheuliche Getier könnten ihn in Ermangelung anderer Möglichkeiten als Nahrungsquelle betrachten. Und Freßchen gäb’s viel. Sorgenvoll streichelte er seinen Bauch, den dicken.
    „Hallooo. Hört mich jemand?“ versuchte er es mit einem Trick.
    Des Trickreichen Freundin indes versuchte zum wiederholten Male, ihn telefonisch zu erreichen. Diesmal sprach sie aber auf den Anrufbeantworter seines Handys: „Hallo, Schatzimausi. Du wolltest dich melden, aber wahrscheinlich schläfst du noch. Ruf mich doch bitte zurück. Du weißt ja, heute abend, brasilianisches Konzert in der Brotfabrik …“ Das Schatzimausi gebrauchte sie nur selten, meist dann, wenn ihr eine Laus über die Leber gelaufen war.
    Schatzimausi wiederum erinnerte sich nicht an die Brotfabrik. Er erinnerte sich an überhaupt nichts mehr, was jünger als eine Woche alt war. Hätte er es getan, würde er sich wenigstens die Umstände seiner Bredouille erklären können.
    Nach dem achten oder neunten „Hallooo, hört mich jemand?“ brach er ab. Was blieb, war die Selbsthilfe. Er setzte sich auf den Hintern und stieß sich mit dem heilen linken Fuß ab, auf daß er ein paar Zentimeter vorankomme. Dabei rutschte die Unterhose. Daraus klug geworden, nahm er fortan seine Hände zur Hilfe, stützte sich auf sie, wenn er sich abstieß.
    Er hatte schon ein paar Meter an Boden gewonnen, als er in ein Loch hinter sich purzelte. Es war nicht tief, jedoch voller Dornengestrüpp. Markerschütternd schrie er auf. Wie Nadelspitzen bohrten sich die Dornen ins Fleisch. Als er keine Energie mehr hatte, kamen die Tränen. Mit allerletzter Kraft schaffte er es, sich umzudrehen und aus dem Loch zu robben. Oben angekommen waren sämtliche Energiereserven verbraucht. Er hielt die Luft an, um den Puls herunterzufahren. Ein Herzinfarkt war so ungefähr das letzte, was er jetzt brauchte.
    Er schaute noch mal zur Sonne, befand, daß sie noch ziemlich hoch stand, und beschloß, sich eine Ruhepause zu gönnen. Hier ging es ganz offensichtlich um Leben und Tod. Um sein Leben und seinen Tod. Von daher war es nur klug, dem Entscheidungskampf ausgeruht und mit vereinten Kräften entgegenzusehen.
    Eventuell war er kurz eingenickt, so genau ließ sich das nicht mehr sagen. Die Sonne jedenfalls hatte sich kaum merklich fortbewegt. Er befand sich auf einer kleinen Anhöhe. Doch jenseits davon war eine weitere Mulde, in ihren Ausmaßen hatte sie etwa die Größe wie jene, aus der er gekrochen war. Das war nicht gut. Was genau er sich erhofft hatte, wußte er selbst nicht. Einen Bach vielleicht. Dem hätte er bloß folgen brauchen, irgendwann wäre er zwangsläufig am Meer oder an einem größeren See gelandet, Wasser fließt nämlich nach unten. Diese Hoffnung hatte sich nun zerschlagen. Da ihm sein geschundener Fuß wieder Schmerzen bereitete, verlagerte er sein Gewicht. Auch das war nicht gut, denn nun bohrte sich eine der Dornen noch tiefer in seinen Hintern. „Autsch.“ Er legte sich auf die Seite und entfernte peu à peu sämtliche Dornen, derer er habhaft wurde. Derweil überlegte er sein weiteres Vorgehen.

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