Versuchung Pur
grinsen. Auf jeden Fall konnte sie seine großen Zähne bestens erkennen. »Er ist ein ganz lieber Hund«, versicherte Roberta. »Halten Sie ihm die Hand hin, damit er sie beschnüffeln kann.«
Und mit einem Biss vom Gelenk abtrennt! Eden blieb stehen, wo sie war. »Roberta«, hob sie an. »Kennst du die Regeln nach all der Zeit immer noch nicht?«
»Doch, Ma’am.« Roberta ließ einen Arm um Squats Hals liegen. »Aber es war wichtig.«
»Darum geht es nicht.« Eden verschränkte die Finger vor sich. Ihr war sehr bewusst, wie sie aussehen musste, wie sie sich anhören musste, und sie konnte Chases Grinsen genau vor sich sehen, obwohl er hinter ihr stand. »Regeln haben einen Zweck, Roberta. Sie werden nicht nur gemacht, um dir den Spaß zu verderben, sondern um Sicherheit und Ordnung zu garantieren. Du hast heute eine der wichtigsten Regeln überhaupt gebrochen, und das nicht zum ersten Mal. Miss Bartholomew und ich sind für dich verantwortlich. Deine Eltern erwarten berechtigterweise, dass wir …«
Eden verlor den Faden, während Roberta ihr mit ernstem Gesicht entgegenschaute und stumm zuhörte. Sie öffnete den Mund, wollte erneut ansetzen, doch nur ein schwerer Seufzer kam hervor. »Roberta, du hast uns zu Tode erschreckt.«
»Das tut mir wirklich leid, Miss Carlbough.« Zu Edens Überraschung kam Roberta zu ihr gerannt und schlang die Arme um sie. »Das wollte ich nicht, ehrlich nicht. Ich dachte, mich würde schon niemand vermissen, bis ich wieder zurück bin.«
»Dich nicht vermissen?« Mit einem schwachen, bebenden Lachen drückte Eden einen Kuss auf Robertas Haar. »Du kleines Monster, weißt du denn nicht, dass ich eine ganz besondere Antenne für dich entwickelt habe?«
»Wirklich?« Roberta drückte sie fest.
»Ja, wirklich.«
»Es tut mir ja auch leid, Miss Carlbough, ganz ehrlich.« Sie hob ihr sommersprossiges Gesicht zu Eden und sah sie an. »Ich musste Chase nur noch einmal für eine Minute sehen.« Roberta warf ihr einen verschwörerischen Blick zu, und Eden musterte Chase.
»Chase?« Auch wenn die Betonung ihr Erstaunen ausdrücken sollte, dass das Mädchen Chase beim Vornamen nannte … es brachte sie nicht weiter.
»Wir hatten etwas Persönliches zu besprechen.« Chase ließ sich auf die Lehne eines Sessels nieder. Er fragte sich, ob Eden überhaupt ahnte, wie beschützend sie Roberta hielt.
Es mochte schwierig sein, aber Eden berief sich auf ihre Würde, trotz ihrer tropfenden Sachen. »Mir ist klar, dass es von einer Zwölfjährigen zu viel verlangt ist, bereits ein Bewusstsein für Verantwortung zu haben, aber von dir hätte ich mehr erwartet.«
»Ich habe im Camp angerufen.« Damit nahm er ihr den Wind aus den Segeln. »Scheinbar habe ich dich verpasst. Sie wissen längst, dass Roberta in Sicherheit ist.« Er stand auf und kam zu ihr. Mit einer Hand wrang er den Saum ihres T-Shirts aus. Wasser tropfte zu Boden. »Bist du zu Fuß hergekommen?«
»Nein.« Verärgert, weil er genau das getan hatte, was von einem vernünftigen Menschen zu erwarten war, schlug sie seine Hand fort. »Der Wagen …« Sie zögerte und entschied sich dann für eine Halbwahrheit. »… ist liegen geblieben.« Sie drehte sich zu Roberta um und funkelte sie grimmig an. »Genau, als das Gewitter losging.«
»Tut mir ehrlich leid, dass Sie nass geworden sind.«
»Das sollte es auch.«
»Haben Sie denn nicht getankt? Der Tank war nämlich fast leer, wissen Sie?«
Eden hatte gerade beschlossen, Roberta doch noch zu erwürgen, als eine Hupe ertönte.
»Das wird Delaney sein.« Chase ging zum Fenster, um nachzusehen. »Er bringt Roberta zurück zum Camp.«
»Das ist sehr nett von ihm.« Eden streckte die Hand nach Roberta aus. »Ich weiß eure Mühe zu schätzen.«
»Nur Roberta.« Chase griff nach der ausgestreckten Hand und hielt Eden fest, bevor sie ihm wieder entwischen konnte. Ob sie nun freiwillig blieb oder sich wehrte wie eine Wildkatze – er würde sie festhalten. Er brauchte sie. »Du solltest die nassen Sachen schnell ausziehen, bevor du dir noch eine Erkältung holst.«
»Sobald ich wieder im Camp bin.«
»Meine Mutter sagt immer, man bekommt schon eine Erkältung, wenn man nur nasse Füße hat.« Roberta drückte Squat fest zum Abschied. »Bis nächstes Jahr«, sagte sie zu Chase, und zum ersten Mal war so etwas wie Schüchternheit an ihr zu bemerken. »Und Sie schreiben mir wirklich?«
»Klar.« Chase beugte sich zu ihr hinunter, hielt ihr Gesicht mit beiden Händen und küsste sie auf
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