Volksfest
Bernhardsau in die Lage versetzt hatte, sich ein wunderschönes und vor allem, was man keinesfalls unterschätzen sollte, funktionstüchtiges Feuerwehrauto zu kaufen.
«Die haben wir noch gebraucht», murmelte der Siebzehner feindselig, einigermaßen die Tatsache außer Acht lassend, dass man die Bernhardsäue im Moment eigentlich tatsächlich ganz gut gebrauchen konnte. Aber wie hätte das der Führer der Wulzendorfer Separatisten, der mit einem Slogan in die letzte Wahl gezogen war, der die im politischen Normalfall eher ungünstige Kurzbezeichnung seiner «Überparteilichen Bürgerliste» genial zu seinem Vorteil genützt hatte («Bei uns wird Bernhardsau ÜBL »), das jetzt auch zugeben können?
Nicht einmal drei Minuten später waren die feindlichen Florianitruppen so weit. Und nach ihrem «Wasser marsch!» ergossen sich zwei prächtige Wasserstrahle auf den Stall. Die Scheune hatte durch das kleine Missgeschick mit der Wulzendorfer Pumpe genügend Zeit gehabt, in einen prächtigen Vollbrand zu geraten. Da war nichts mehr zu retten. Also galt es vorerst eher, die Nebengebäude zu sichern. Die Wulzendorfer Feuerwehrmänner lehnten indessen stumm an ihrem Versager von Auto, wissend, dass die Schmach, die sie ihrer stolzen Heimat zugefügt hatten, noch Generationen weiterwirken würde.
«Der Mantler dreht durch, wenn er das hört», sagte Kanschitz. «Hoffentlich ist er wenigstens ordentlich versichert.»
«Ja. Versichern beruhigt», befand die Nidetzky.
Suchanek, der jetzt doch schon einige Zeit auf der Suche nach einem guten Grund für einen Abgang war, hatte endlich die rettende Idee. «Verdammt!», rief er und schlug sich mit, wie allerdings ausschließlich er fand, wohldosierter Theatralik auf die Stirn. «Ich muss sofort nach Hause! Ich hab vergessen zuzusperren. Auf Wiederschauen!»
«Vielleicht fällt dir ja wieder ein, wen du gesehen hast», rief ihm die Nidetzky hinterher. Suchanek drehte sich nicht um. Er spürte Augen in seinem Rücken. Unangenehm schauende Augen.
Nachdem er auf dem Heimweg beim Graben eine längere, erfolglose Search and Rescue-Operation für seinen verschollenen Schuh abgehalten hatte, ging er zu Hause gerade rechtzeitig auf den Balkon, um den Einsturz des Scheunendaches mitzuerleben. Wild stoben die Funken nach allen Seiten, und die Meute der Schaulustigen wich ein paar Meter zurück. Aber der Bernhardsauer Kommandant machte eine beruhigende Geste. Euch kann nichts passieren. Wir sind ja da. So etwa.
Auch wenn sich Suchanek den nächtlichen Ausflug angesichts seines ausbaufähigen Verlaufs im Nachhinein lieber gespart hätte, so stand doch zumindest fest, dass der Grasel morgen sehr zufrieden sein würde. Ein Feuer beim Feuerwehrhauptmann. Seine Leute versagen. Der gemeinsame Außenfeind kommt und löscht. Das ist eine gute Geschichte, dachte Suchanek noch, bevor er in einen komatösen Schlaf fiel. Eine wirklich gute Geschichte. Und dabei wusste er da noch gar nicht, dass mit dem Schuppen nicht nur Mantlers Ehre verkohlt war.
Sondern auch seine Frau.
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4
«Was?»
«Ich schwör’s», sagte Suchanek. «Er schaut aus wie Hitler.»
Er saß am Boden, vor einem der insgesamt neun praktischen Einbaukästen, die seine Mutter mehr liebte als ihre Kinder – oder zumindest, man sollte da jetzt nicht über Gebühr ungerecht sein: eines ihrer Kinder – und die die Dachschrägen im Obergeschoss dermaßen sinnvoll ausnützten, dass sich Suchanek in voller Länge in ihnen ausstrecken konnte. Das Wort «praktisch» wäre ja für seine Mutter an sich das perfekte Synonym für «erotisch» gewesen. Wenn sie die Worte «Synonym» und «erotisch» gekannt hätte.
«Der Mörder schaut aus wie Hitler?» Grasels Wiehern brachte das Handy zum Zittern. «Das ist ja der Hammer! Wir müssen jetzt klaren Kopf bewahren! Ich ruf das Fernsehen an – und du die Grünen.»
«Nicht der Mörder. Mein Teddybär.»
Suchanek hatte auf der Suche nach dem Fernglas seines Vaters, das er angesichts der neuen Entwicklungen nun doch nicht länger missen wollte, aus den dunklen Kastenschluchten, in denen man sich ähnlich fühlen musste wie in den engen Gängen dieser unmenschlichen Silbermine am Cerro Rico in Bolivien, über die er einmal eine Dokumentation gesehen hatte, weil ihm die Fernbedienung in den Spalt zwischen Sofa und Wand gerutscht und er zu faul zum Aufstehen gewesen war, schon durchaus phantastische Dinge zutage gefördert. Einmal einen Stapel Liebesbriefe, den sich seine
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