Vom Himmel das Helle
Doch ich tappte ins Leere. In die unheilschwangere Luft neben meinem Schädel.
Zwei
Ich will nichts von dem, was passierte, vorwegnehmen. Deswegen beginne ich ganz von vorne und erzähle alles der Reihe nach.
Es begann im Grunde mit dem Besuch, ach was, dem Überfall meines Vaters. Der machte sich schon immer schlecht als Hintergrund in meinem Leben. Bereits zu Zeiten, als ich noch ein Kind war, und jetzt, im tiefen Erwachsenenalter, erst recht. Immer, wenn ich an ihn dachte, fiel mir als Erstes ein, wie lähmend seine Gegenwart war. Und so ahnte ich bei seinem unerwarteten Auftauchen – am Tag, nachdem mir Mark zum ersten Mal »begegnet« war, – dass es weder harmlos mit uns beginnen noch versöhnlich enden würde, sondern, wie zu erwarten, erbärmlich. »Renate hat mich, selbstredend grundlos, hinausgeschmissen«, begann er seine Erläuterungen, während er als schattenhafter Umriss in meiner Tür stand. »Und ich bin die nächste Anlaufstelle«, stellte ich richtigerweise fest. Mein Lächeln fiel mager aus, denn ich ahnte das Schlimmste. Der Schatten in der Türöffnung nahm noch mehr als zuvor die fast drohende Gestalt meines Vaters an und wandte sich ins Licht, der endgültigen Realität zu.
»Der Mensch taugt ja nicht zum Einzelgänger«, versuchte mein Vater mir auf die Sprünge zu helfen. Ich wich zurück und ließ ihn hinein. Was blieb mir auch anderes übrig? Ich wollte schließlich nicht unhöflich sein. »Trotzdem sollte man sich gründlich überlegen, mit wem man unter einem Dach lebt«, warf ich ein. Mir gelang bestimmt nicht die einfühlsamste Begrüßung, aber ich war wenigstens ehrlich. Papa ließ nicht locker. »Denk dran, dass du früher bei mir und deiner Mutter gewohnt hast. Geben und nehmen heißt es in der Bibel, nicht wahr?« Er stellte sein Gepäck ab, einen abgewetzten Lederkoffer und einen silbernen Trolly und verbarrikadierte so meinen Flur. Dann sah er mich erwartungsvoll an. »Ach ja, und da wäre noch das Geld, das ich dir damals, nach der Trennung von Berthold geliehen habe, Lea!« Das Gepäck zurücklassend, trat mein Vater schnurstracks an mir vorbei in das Herz meiner kleinen Wohnung, die gerade für mich ausreichend war: für meine Büchersammlung im Wohnzimmer, meine Kräutertöpfe auf der Fensterbank in der Küche und mein kleines Büro, das mein Job als Notfallpsychologin notwendig machte. »Das mit dem Wohnen bei dir, meinst du damit die Zeit seit meiner Geburt?«, konnte ich mir nicht verkneifen zu fragen. Es war geradezu lächerlich. »Selbstverständlich«, klärte mein Vater mich auf und drehte sich mit Schwung nach mir um.
»Ich wusste nicht, dass das bereits eine Leistung und ein besonderes Entgegenkommen ist.« Ich schüttelte gut sichtbar den Kopf, doch es machte ihm – grobstofflich gestrickt, wie er nun mal war – natürlich nichts aus. »Die Entscheidung, Vater zu werden, ist durchaus eine Leistung, meine Liebe«, begann er sein Referat. »Besonders, wenn man einen Beruf wie meinen ausübt. Ich wollte deiner Mutter diese Erfahrung natürlich nicht nehmen. Auch wenn ein Kind nach der kompletten Änderung des Alltags verlangt.«
Ich schluckte weitere Kommentare gerade noch hinunter und blickte auf den sich behände dahinschlängelnden Rücken, der die Küche ansteuerte. Mein Vater war eine giftige Schlange, die sich bei mir einnistete.
Ich würde uns einen starken Kaffee aufbrühen, Eier in die Pfanne werfen und in Ruhe mit ihm reden. Zu mehr war ich weder verpflichtet, noch in der Lage. Schließlich hatte ich einen anstrengenden Tag hinter mir. Doch es kam natürlich anders.
Mein Vater hatte das Wohnzimmer als neuen Lieblingsplatz auserkoren, sich ins Sofa plumpsen lassen und plauderte munter vor sich hin. Wir hatten Spiegeleier mit Speck und danach Pfirsiche mit geschlagener Sahne gegessen und saßen seit drei Stunden im Wohnzimmer und redeten. »Im Übrigen hast auch du nur noch mich!« Er versuchte, mich an meinen Single-Status zu erinnern, was völlig unnötig war. »Oder läuft da was mit irgendeinem Kerl, von dem ich nichts weiß? Seit dem Ende mit Berthold scheint bei dir ja irgendwie der Wurm drin zu sein.« Die Trennung von Renate schien meinen Vater weniger mitzunehmen als angenommen. Vermutlich war er eher beleidigt als betroffen. »Lass mich aus dem Spiel, Papa. Diesmal geht es um dich.« Doch genau das hatte mein Vater nicht vor. Er wusste, wie schwierig es für mich war, eine Beziehung am Laufen zu halten. Deshalb fühlte er sich
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