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Vom Himmel das Helle

Vom Himmel das Helle

Titel: Vom Himmel das Helle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriele Diechler
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bemüßigt, mir hin und wieder Tipps zu geben, lautstarke Tipps, wie man eine glückliche führte. Weil er mit Mama bis zu ihrem Tod, der uns alle bei ihrem Alter von knapp über sechzig überrascht hatte, verheiratet geblieben war, gab er sich als Profi aus. Dabei lag es einzig und allein an ihr, dass das Ganze nicht auseinandergebrochen war wie angeschlagenes Porzellan. Meine Mutter hatte in spirituellen Büchern über Hingabe und Demut gelesen und darin Trost und Hoffnung gefunden. Nicht Erfüllung, sondern lediglich die Motivation, nicht alles hinzuschmeißen. Also hatte es all die Jahre über irgendwie geklappt. Seinerseits war keine Leistung dazu erforderlich gewesen. Ihrerseits schon, aber darüber hatte Mama nie wirklich gesprochen. In ihrer Generation galt noch der Satz: Man leidet, schweigt und lebt irgendwie weiter. Als gäbe es so was wie ein Anrecht auf Glück gar nicht. Ich spürte jedes Mal, wenn ich sie zu Gesicht bekam, was oft genug der Fall war, wie die Dinge standen. Schlecht, elendig schlecht. Kein Wunder. Papa war ein Neurotiker, der jedem den letzten Nerv zog. Ohne Betäubung. Selbstverständlich bekam er von seinen Macken nichts mit und lebte munter wie eine Biene, die sich auf ein frisch geöffnetes Marmeladenglas gesetzt hatte, in die Tage hinein.
    Bei mir sah es schon anders aus. Ich las keine spirituellen Bücher, war bereits weit in den Vierzigern und dazu ziemlich ausgebrannt. Was meine letzte erwähnenswerte Beziehung anbelangte, die hatte mit einem Immobilienmakler stattgefunden, der Objekte und Kunden in Mallorca betreute. Weshalb unsere Beziehung anfangs ganz gut klappte. Wenn man sich nur hin und wieder sah, gab es wenig Gelegenheit zu streiten. Trotzdem verlief das mit uns mehr oder weniger im Sand. Manchmal hatte ich das Gefühl, er verdingliche mich, meinen Körper, meine Empfindungen und Gedanken, genauso wie die Häuser, die er anbot und mit glänzendem Gewinn veräußerte.
    Aber da selbst die Bewegung von Körpern im All ein chaotisches Phänomen ist, nahm ich für mich nichts Anderes in Anspruch. Leben ist wie ein Ball, den man in die Luft wirft und der durch die Einwirkung von Luft, der Objekte um ihn herum und des Zufalls irgendwo landet.
    Als ob all das nicht reichte, kam jetzt also mein Vater dazu und machte sich in meinem Wohnzimmer breit. So hatte ich mir den neuen Mann in meinem Leben, mit dem auch eine gemeinsame Adresse nicht ausgeschlossen war, nicht vorgestellt – ja, ich geb’s zu, das ist eine gewagte Vorstellung wenn man die vierzig überschritten hatte, aber ich hing nun mal an meinem Bild des Glücks.
    Ich tapste zurück in die Küche, richtete Käse- und Schinkenbrote, weil mein Vater noch immer Hunger verspürte und redete weiter mit ihm. Die Zeit verging und ich brachte es natürlich nicht übers Herz, ihn abzuweisen. Offenbar war sein Leben in letzter Zeit zu einem dieser miserablen Fertiggerichte verkommen, die nicht schmeckten. Doch das hätte er mir gegenüber natürlich nie zugegeben. Und abgesehen von mir, wen hatte er denn noch? Mit Renate würde es definitiv nichts mehr werden. Die hatte bereits einen Neuen, erzählte er hastig und auch ein wenig betroffen und gekränkt.
    »Sie hat einen schmierigen Advokaten an Land gezogen. Mit ordentlich Geld unterm Hintern, dafür aber schlechten Manieren. Na ja, Renate hat’s ja mit dem Verwöhnen: teure Urlaube, Kleider, Schuhe … Dürfte für ihn kein Thema sein. Sie kann also ihre Marotten in Ruhe weiter füttern!« Papa verdrehte angewidert das Gesicht und ich musste an seinen überfüllten Kleiderschrank denken. Er kaufte selbst wie eine Frau ein. Ach was, wie eine Diva. Aber das waren natürlich alles Schnäppchen, weshalb er sich als Einkaufsgenie betitelte, nicht als Süchtigen.
    »Hast du vielleicht noch einen Cognac?«, rief er von seinem Platz gleich am Fenster des Wohnzimmers. Und was tat ich? Durchstöberte meine Bar und schenkte ein. »Ich weiß, Lea, du hast deine Arbeit und dein Leben«, entgegnete mein Vater nach dem zweiten Glas Weinbrand. Er war dazu übergegangen, mit schlurfenden Schritten durchs Wohnzimmer zu wandern. Er wusste genau, dass da kein Leben nach der Arbeit war, außer dem Fernseher, dem Kühlschrank und einem Stapel Bücher. »Apropos Leben. Was gibt’s Neues an der Männerfront? Ist Entspannung in Sicht?« Er ließ nicht locker und sah mich forschend an. »Findest du nicht, du solltest mal wieder über deinen langen Schatten springen und einen ran lassen?« Papa quiekte

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