Vor dem Sturm
grünes Band. Seine Frau hatte rot nehmen wollen, aber er hatte auf grün bestanden.
Und nun nichts mehr von Abschied.
Über den Forstacker hin flog der Schlitten, in dem Lewin und Hirschfeldt saßen, an Hoppenmariekens Häuschen vorbei, und als sie gleich darauf wieder hügelab und am Flußufer hinfuhren, rollte plötzlich ein Ton wie dumpfer Donner herauf und verhallte in weiter Ferne.
»Das Eis birst«, sagte Hirschfeldt. »Ein gutes Zeichen, unter dem wir ausziehen.«
Und in demselben Augenblicke begannen auch die Hohen-Vietzer Glocken zu klingen, und beide Freunde wandten sich unwillkürlich noch einmal zurück.
»Was bedeutet uns ihr Klang?« fragte Lewin.
»Eine Welt von Dingen: Krieg und Frieden und zuletzt auch Hochzeit; Hochzeit, der glücklichsten eine, und ich, ich bin mit unter den Gästen.«
»Sie sprechen, Hirschfeldt, als ob Sie's wüßten«, antwortete Lewin bewegten Herzens.
»Ja, Vitzewitz, ich weiß es, ich seh in die Zukunft.«
An demselben Sonntagnachmittag saßen auch die Frauen in dem Eckzimmer, darin wir ihnen so oft begegnet. Ihre Tränen waren getrocknet, die Schorlemmer hatte sich mit einem Kraftspruch über Abschied und Rührung hinweggeholfen, und nur an Mariens langen schwarzen Wimpern hingen noch einzelne Tropfen.
Renate küßte sie und sagte: »Laß, Marie, denn du mußt wissen, ich glaube an dreierlei.«
»Das tun alle vernünftigen Menschen«, sagte die Schorlemmer. »Das heißt alle Christen.«
»Und zwar glaub ich«, fuhr Renate fort, »erstens an den Hundertjährigen Kalender, zweitens an Feuerbesprechen und drittens an Sprüchwörter und Volksreime. Und weißt du, an welchen ich am meisten glaube?«
»Nun?«
»
Und eine Prinzessin kommt ins Haus.
«
Marie lächelte.
Die Schorlemmer aber sagte: »Torheit, ich will euch einen bessern Spruch sagen.«
»Und?«
»Denen, die Gott lieben, müssen alle Dinge zum Besten dienen.«
Achtundzwanzigstes Kapitel
Aus Renatens Tagebuch
Erzählungen schließen mit Verlobung oder Hochzeit. Aber ein Tagebuch, das sich bis auf diesen Tag im Hohen-Vietzer Herrenhause vorfindet und als ein teures Vermächtnis daselbst gehütet wird, gönnt uns noch einen Blick in die weitere Zukunft. Es sind Blätter von Renatens Hand, und aus ihnen ist es, daß ich das Folgende entnehme.
»Lewin ist zurück. Ich habe nur auf diesen Tag gewartet, um, wie ich seit lange wollte, mit einem Tagebuche zu beginnen. Der Säbelhieb über die Stirn kleidet ihn gut; der weiche Zug, den er hatte, ist nun fort; Marie findet es auch. Wie war sie so glücklich! Und doch ebenso ruhig, wie sie glücklich war. Und das freute mich am meisten. Denn mir ist nichts verhaßter als Lärm; und nun gar Lärm in Gefühlen! Es traf sich sonderbar, daß wir, eine Stunde vor Lewins Ankunft, den für Grell bestimmten Grabstein ausgepackt hatten. Ein kleiner Marmor. Es war nicht ohne Bewegung, daß wir Namen und Datum und die Hölderlinschen Zeilen lasen. Jeetze wollte den Stein verstecken, aber Maline sagte: ›Nein, nein, das bedeutet Glück‹, was natürlich meine gute Schorlemmer in Feuer und Flamme über die Unausrottbarkeit wendischen Aberglaubens brachte. (Lewin übernimmt Guse; sie werden dort als ein junges Paar leben. Es ist am besten so.)«
»Gestern war Hochzeit. In
Bohlsdorf
. Lewin hatte darauf bestanden; er wollte
da
getraut werden, wo sich sein Leben entschieden habe. So fuhren wir in drei Wagen hinüber. Mit uns Drosselstein und Hirschfeldt (der den Arm verloren hat, leider den rechten). Bamme war geheimnisvoll und erklärte, ›sein Brautgeschenk vorläufig vergraben zu haben‹. Aber der Tag der Auferstehung werde kommen. Die Schorlemmer über diesen Ausdruck empört, wir anderen neugierig. Seidentopf hielt die Rede; nie hat er besser gesprochen; es ist doch wahr, daß das Herz den Redner macht. Er nahm einen Bibeltext; aber eigentlich sprach er über die Zeile: ›Und kann auf Sternen gehen.‹ Nach der Trauung nahmen wir einen Imbiß auf dem Amtshofe. Die junge Frau noch hübscher geworden; wieder an Kathinka erinnert. Rückfahrt im offenen Wagen. Entzückend. Die Sommerfäden flogen und setzten sich in Mariens grünen Kranz. Es war wie ein zweiter Brautschleier. Bamme, der nur den volkstümlichen Namen dieser Fäden kannte, ereiferte sich über die ›Ungalanterie des heurigen Septembers‹, beruhigte sich aber, als ich ihm sagte, daß diese Fäden auch ›Mariengarn‹ heißen. Übrigens haben Lämmerhirt und Seidentopf Brüderschaft
Weitere Kostenlose Bücher