Vor dem Sturm
getrunken und wollen korrespondieren. Lämmerhirt sammelt auch Totentöpfe und ist germanisch. Also gegen Turgany.«
»Heute haben wir unseren lieben Seidentopf zur letzten Ruhe gebracht. Auch Lewin und Marie kamen von Guse herüber und die drei ältesten Kinder. Sie brachten große Kränze von Flieder mit, der in diesem Jahre so schön in Guse blüht. Pastor Zabel von Dolgelin hielt die Grabrede; gutgemeint und alltäglich. Papa will es nicht wahrhaben; aber er legt immer aus seinem Eigenen zu. Auch Turgany war da; sehr bewegt. Er führte mich, als wir zurückgingen, und sagte dann in seiner Art: ›Nun kann ich diesen Landesteil unangefochten für wendisch erklären; aber ich tät es lieber nicht.‹«
»Brief von Kathinka (aus Paris). Teilnehmend, aber sehr vornehm. Wir sind ihr kleine Leute geworden. Sie kennt nur noch zweierlei: Polen und ›die Kirche‹.«
»Wir waren gestern in Guse drüben, Papa, die Schorlemmer und ich. Als wir bei Tische saßen, wurde der Seelower Gerichtsdirektor gemeldet, der ein auf dem dortigen Gerichte niedergelegtes Dokument in Person überbrachte. Aufschrift: ›An Frau
Marie von Vitzewitz
. Nach meinem Ableben zu Händen der Adressatin.
Bamme
, Generalmajor.‹ Wir öffneten und lasen. Er hat Marie sein ganzes Vermögen vermacht, alles in sehr Bammeschen Ausdrücken. Am Schlusse stand: ›Ich hab es früh erfahren, wie wenig der Schein bedeutet.‹ Marie entsann sich, Ähnliches gegen ihn geäußert zu haben. Wir gratulierten alle; nur die Schorlemmer verlangte Zurückweisung, ›es sei kein Segen daran‹. Marie aber meinte, ›
dazu
sei sie doch nicht fromm genug‹, worüber wir alle herzlich lachten; zuletzt auch die Schorlemmer.«
»Und nun bin ich allein,
ganz
allein, und morgen wird Lewin, der nun Guse verläßt, seinen Einzug in dies alte Hohen-Vietz halten, in das mir und ihm so teure Haus, in dem er gesegnet sein möge wie bisher. Und er wird es, denn er bringt seinen guten Engel mit. Meine teure Marie. Sie hat die schwerste Probe bestanden, und das Glück hat sie gelassen, wie sie war: demütig, wahr und schlicht. Und so könnt ich bleiben und weiterleben mit und unter ihnen, aber ich mag doch nicht die Tante Schorlemmer ihres Hauses sein. Auch fehlen mir die Lieder und Sprüche. So will ich denn nach ›Kloster Lindow‹, unserem alten Fräuleinsstift. Da gehör ich hin. Denn ich sehne mich nach Einkehr bei mir selbst und nach den stillen Werken der Barmherzigkeit. Und nur
eines
ist, das ich noch mehr ersehne. Es gibt eine verklärte Welt, mir sagt es das Herz, und es zieht mich zu ihr hinauf.«
Hier schließt das Tagebuch.
Auf einer schmalen Landzunge zwischen zwei märkischen Seen liegt das adlige Stift
Lindow
. Es sind alte Klostergebäude: Kirche, Refektorium, alles in Trümmern, und um die Trümmer her ein stiller Park, der als Begräbnisplatz dient, oder ein Begräbnisplatz, der schon wieder Park geworden ist. Blumenbeete, Grabsteine, Fliederbüsche und dazu Kinder aus der Stadt, die zwischen den Grabsteinen spielen.
Und auf einem dieser Grabsteine stand ich und sah in die niedersteigende Sonne, die dicht vor mir das Kloster und die stillen Seeflächen vergoldete. Wie schön! Es war ein Blick in Licht und Frieden.
Im Scheiden erst las ich den Namen, der auf dem Steine stand:
Renate von Vitzewitz
.
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