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Vorsatz und Begierde (German Edition)

Vorsatz und Begierde (German Edition)

Titel: Vorsatz und Begierde (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P. D. James
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im Werk müssen es gewußt haben – na ja, gewußt oder geargwöhnt jedenfalls. Er ist zu intelligent, um Informationen zurückzuhalten, von denen er weiß, daß wir sie früher oder später doch bekommen werden. Seine Story lautet, daß das Verhältnis beendet war, normal und in beiderseitigem Einvernehmen. Er wird vermutlich nach London ziehen, während sie hierbleiben wollte. Nun, das mußte sie ja wohl, wenn sie nicht ihren Job aufgeben wollte, und sie war eine Karrierefrau; der Job war lebenswichtig für sie. Er behauptet, was sie füreinander empfunden hatten, sei nicht stark genug gewesen, um der Belastung von höchstens gelegentlichen Wochenendzusammenkünften standzuhalten – seine Worte, nicht die meinen. Während er hier war, brauchte er eine Frau und sie einen Mann. Sie mußten bequem bei der Hand sein. Sinnlos, wenn man hundert Meilen voneinander entfernt ist. Wie beim Fleischkauf. Er zieht nach London, sie wollte bleiben. Also sucht man sich einen anderen Schlachter.«
    Wie Dalgliesh sich erinnerte, war Rikkards, was Sex betraf, immer eher prüde gewesen. Als Kriminalbeamter mit zwanzig Jahren Dienstzeit hatte er Ehebruch und Unzucht in all den verschiedensten Formen kennengelernt, ganz abgesehen von den exzentrischeren und erschreckenderen Manifestationen der menschlichen Sexualität, neben denen Ehebruch und Unzucht beruhigend normal wirkten. Doch das hieß nicht, daß er davon angetan war. Er hatte seinen Eid als Polizeibeamter geleistet und stets gehalten. Er hatte sein Ehegelöbnis in der Kirche abgelegt und beabsichtigte es ganz zweifellos ebenfalls zu halten. Und in einem Job, in dem unregelmäßige Arbeitszeit, Sauferei, plumpe Männerkameraderie und die Nähe weiblicher Polizeibeamter die Ehen gefährdeten, war es bekannt, daß die seine intakt war. Rikkards war zu erfahren und im Grunde zu fair, um sich Vorurteile zu gestatten, aber in dieser einen Hinsicht zumindest hatte Mair mit dem Beamten, dem der Fall zugeteilt war, Pech gehabt.
    »Katie Flack, ihre Sekretärin, hat vor kurzem gekündigt«, berichtete Rikkards. »Fand sie wohl zu anspruchsvoll. Es hat da eine Auseinandersetzung gegeben, weil das Mädchen über die normale Mittagspause hinaus weggeblieben ist. Und Brian Taylor, einer ihrer Mitarbeiter, gibt zu, daß er es unmöglich fand, für sie zu arbeiten, und um Versetzung gebeten hat. War lobenswert offen in der Sache. Kann sich’s aber auch leisten. Er war von 8 Uhr abends an auf der Junggesellenparty eines Freundes in Maid’s Head, Norwich, und hat mindestens zehn Zeugen dafür. Aber auch das Mädchen braucht keine Angst zu haben. Die hat den Abend mit ihrer Familie vor dem Fernseher verbracht.«
    »Nur mit der Familie?« fragte Dalgliesh mißtrauisch.
    »Nein. Zu ihrem Glück kamen kurz vor 9 Uhr die Nachbarn herüber, um mit ihr die Garderobe für die Hochzeit ihrer Tochter zu besprechen. Die Flack soll eine der Brautjungfern sein. Zitronengelbe Kleider mit Sträußchen von weißen und gelben Chrysanthemen. Äußerst geschmackvoll. Wir haben eine ausführliche Beschreibung bekommen. Vermutlich glaubte sie, das steigere die Glaubwürdigkeit des Alibis. Wie dem auch sei, keiner von beiden stand ernsthaft unter Verdacht. Wenn man heutzutage seinen Chef nicht mag, kündigt man eben. Beide waren natürlich entsetzt und ein wenig abwehrend. Haben vermutlich das Gefühl, sie hätte sich absichtlich umbringen lassen, um sie zu belasten. Keiner von beiden gab vor, sie sympathisch gefunden zu haben. Bei diesem Mord ging es jedoch um mehr als Abneigung. Und, Mr. Dalgliesh, es mag Sie überraschen, aber bei den älteren Angestellten war die Robarts nicht besonders unbeliebt. Die haben Hochachtung vor Tüchtigkeit, und tüchtig war sie auf jeden Fall. Außerdem griffen ihre Kompetenzen nicht direkt in die ihren ein. Es war ihre Aufgabe, dafür zu sorgen, daß das Kraftwerk erstklassig verwaltet wurde, damit die Wissenschaftler und Techniker ihre Aufgaben möglichst perfekt erfüllen konnten. Und genau das hat sie anscheinend getan. Die Leute haben meine Fragen ohne Umschweife beantwortet, waren allerdings nicht besonders entgegenkommend. Im Werk herrscht eine Art Kameraderie. Ich nehme an, wenn man sich ständig kritisiert oder attackiert fühlt, entwickelt man eine gewisse Vorsicht im Umgang mit Außenstehenden. Nur einer von ihnen hat erklärt, daß er sie nicht ausstehen konnte: Miles Lessingham. Aber der hat auch so etwas wie ein Alibi. Er behauptet, zur Todeszeit auf seinem

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