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Inspector Alan Banks 03 Ein unvermeidlicher Mord

Titel: Inspector Alan Banks 03 Ein unvermeidlicher Mord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Robinson
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* EINS
     
    * I
     
    Die Demonstranten standen dicht gedrängt im Märzregen vor dem Gemeindezentrum von Eastvale. Manche hielten selbst gefertigte Plakate hoch, doch die Anti-Atomkraft-Slogans waren im Nieselregen zerlaufen wie die Buchstaben im Vorspann von Horrorfilmen. Mittlerweile konnte man nur noch schwer erkennen, was sie aussagen wollten. Um halb neun war jeder gründlich durchnässt und hatte die Nase voll. Keine einzige Fernsehkamera nahm das Geschehen auf und nicht ein Reporter hatte sich unter die Menge gemischt. Protestaktionen waren out, die Medien interessierten sich nur noch für das, was drinnen vor sich ging.
      Trotz aller Frustration hatten die Demonstranten bisher Geduld bewahrt. Ihre Haare waren klatschnass und das Wasser tropfte ihnen den Nacken hinab, doch noch hielten sie ihre unleserlichen Plakate hoch und hüpften seit über einer Stunde von einem Fuß auf den anderen. Nun aber begannen viele von ihnen Platzangst zu kriegen. Die North Market Street war eng und nur spärlich von altmodischen Gaslaternen beleuchtet. Von allen Seiten waren die Protestierenden von der Polizei eingekesselt, die so nah vorgerückt war, dass man sich in keine Richtung mehr bewegen konnte. Auf den Stufen vor den schweren Eichentüren stand eine zusätzliche Reihe von Polizisten Wache, und gegenüber der Halle blockierten weitere Beamte die Schlupflöcher, die jenseits des Cardigan Drive in die gewundenen Nebenstraßen und auf die offenen Plätze führten.
      Nur um etwas Luft zu bekommen, begannen einige Leute an den Rändern schließlich zu drängeln. Die Polizei stieß sie rüde zurück. Der Aufruhr schwappte wie eine Welle bis in den dicht gedrängten Kern der Menge, wo die unterdrückte Wut zunahm. Als jemand ein Plakat auf den Kopf eines Polizisten niedergehen ließ, johlten die übrigen Demonstranten auf. Ein anderer warf eine Flasche. Ohne Schaden anzurichten, zerbrach sie hoch oben an einer Mauer. Dann begannen ein paar Leute ihre Fäuste in die Luft zu recken, und die Menge stimmte Sprechchöre an: »WIR WOLLEN REIN! LASST UNS REIN!« Vereinzelt brachen Handgemenge aus. Die Demonstranten kämpften um jeden Quadratzentimeter, während die Polizei sie zurückschob, um die Menge in Schach zu halten. Es war, als würde man auf dem Deckel eines kochenden Topfes sitzen; einer von beiden musste nachgeben.
      Später konnte niemand genau sagen, wie es passierte oder wer damit begonnen hatte, doch die meisten Demonstranten, die befragt wurden, behaupteten, dass ein Polizist geschrien hätte »Haut den Arschlöchern auf die Fresse!« und dass die Wachen auf den Stufen mit gezogenen Schlagstöcken nach unten vorrückten. Dann ging die Hölle los.
     
    * II
     
    Es war zu heiß im Gemeindezentrum. Detective Chief Inspector Alan Banks fummelte an seiner Krawatte herum. Er hasste Krawatten, und wenn er eine tragen musste, ließ er immer den obersten Knopf offen, um das beklemmende Gefühl erträglich zu machen. Diesmal aber spielte er nicht nur aus Unbehagen mit dem lockeren Knoten, sondern auch aus Langeweile. Er wünschte, er wäre zu Hause, einen Arm um Sandra gelegt und ein Glas mit gutem Single-Malt-Scotch in der anderen Hand.
      Aber sein Zuhause war während der letzten zwei Tage ein kalter und einsamer Ort gewesen, denn Sandra und die Kinder waren weg. Ihr Vater hatte einen leichten Schlaganfall erlitten, und Sandra war nach Croydon gefahren, um ihrer Mutter beizustehen. Banks wünschte, sie wäre zurück. Sie hatten jung geheiratet, und er fand, dass ein Dasein als Single nach fast zwanzigjähriger (zumeist) glücklicher Ehe wenig zu bieten hatte.
      Aber der Hauptgrund für Banks' zunehmende schlechte Laune war ein besonders näselndes Exemplar des Monetarismus der Londoner Grafschaften, das sich hier im überfüllten Gemeindezentrum von Eastvales produzierte. Frau Honoria Winstantley, ihres Zeichens Parlamentsabgeordnete, war gekommen, um die Wogen der Nord-Süd-Beziehungen zu glätten. Sie beehrte Eastvale, weil es, obwohl keine Großstadt, die größte und wichtigste Stadt dieses Landesteils zwischen York und Darlington war. Außerdem erfreute sich die Stadt zurzeit eines noch nie da gewesenen und unerklärlichen Wachstums und zeichnete sich daher als leuchtendes Beispiel für die Kräfte des Volkskapitalismus aus. Banks, der höflichkeitshalber anwesend war, saß eingezwängt zwischen zwei schweigsamen Beamten der Special Branch, einer Art Verfassungsschutz des Staates. Bestimmt hatte

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