Vorzeitsaga 02 - Das Volk des Feuers
hat sich verändert. Ich bin eine Frau geworden, und Blutbär wollte mich besitzen. Plötzlich stehe ich mittendrin in diesem Durcheinander und weiß nicht mehr weiter.«
»Macht dir das angst?«
Sie hob den Kopf. Ihre Blicke trafen sich. »Ja.« Ein kaum merkliches Lächeln spielte um ihre Mundwinkel. »Aber ich nehme es, wie es kommt. Ich glaube, ich möchte nicht… ich möchte nicht viel wissen über Geistermächte. Ich glaube, es gibt sie, und ich nehme es hin.«
»Ich wünschte, es wäre so einfach.«
Sie sah ihn forschend an. »Vielleicht machst du es nur so kompliziert?«
»Vielleicht.«
Ein langes Schweigen folgte. Er genoß ihre Nähe. Wie lange war es her, daß er ganz selbstverständlich mit jemandem hatte reden können Wenn sich der Traum, den er oben auf dem Grat geträumt hatte, wiederholte, würde sich dann auch Reizende Wapiti in Stein verwandeln und versuchen, ihn in den Abgrund zu stürzen?
»Ich glaube, meine Mutter und Hungriger Bulle schlafen bald miteinander.«
Ihre simple Feststellung traf ihn wie ein Schock. Mit einem Schlag fühlte er sich wieder hilflos dem Schicksal preisgegeben. Wie sollte er mit dieser neuen Enthüllung fertigwerden?
»Aber er…« Mutter? Konnte er Salbeiwurzel vergessen ? Die Erinnerung an sie einfach auslöschen?
Als hätte sie seine Gedanken erraten, fragte sie unvermittelt:
»Wie lange ist er schon allein? Fast fünf Jahre, nicht wahr?
Er sieht sehr einsam aus.«
Er schluckte und versuchte, seine Gedanken in eine andere Richtung zu lenken. Er konzentrierte sich auf Schwerer Biber, der dort draußen in der unendlichen Ebene seine Herrschaft über das Kleine-Büffel-Volk weiter festigte. »Ja«, antwortete er und gab sich Mühe, gleichgültig zu erscheinen. »Eine lange Zeit.« Und Hungriger Bulle lebte ständig allein. Wahrscheinlich war er einsamer als er selbst.
Wäre es denn so schrecklich? Wäre es ein Verrat an der Toten, wenn er mit Klappernde Hufe schlief, deren warmherziges Lächeln und deren Schalk in den sanften Augen ihm ebenfalls gefielen?
»Du siehst traurig aus.«
Er schüttelte den Kopf. »Ich weiß nicht. Nein, nicht traurig.
Nur… verloren. Ich verstehe gar nichts mehr. So viel geschieht, und ich bin …«
»Verwirrt?«
Er nickte und blickte sie von der Seite an. »Jedesmal, wenn ich mein eigenes Selbst endlich wieder fühle, ändert sich schon wieder alles.«
Sie runzelte die Stirn. »Kann ich dir helfen?«
»Ich weiß nicht.« Mit bitterer Stimme fuhr er fort: »Du wirst es gar nicht wollen. Ich bringe alle Menschen nur in Schwierigkeiten.
Kennst du die Geschichte meiner richtigen Mutter Klares Wasser?«
Sie schrie erschrocken auf und starrte ihn aus großen Augen an.
»Du bist das? Die Geschichte erzählt man sich beim Rothand-Volk. Man sagt, sie habe ein Baby gehabt, das gestorben sei. Zwei Rauchwolken sei verkrüppelt und das Baby gestorben. Weißes Kalb habe nur noch Zwei Rauchwolken retten können.«
»Mir haben sie eine andere Version erzählt. Und kein Mensch sagt mir, wer mein richtiger Vater ist.«
Er stützte das Kinn auf die Hände. »Findest du das nicht merkwürdig?«
Sie kaute auf der Unterlippe und blickte hinaus in die Ferne.
»Du weißt es nicht? Wirklich nicht?«
»Nein. Zwei Rauchwolken will es mir nicht sagen.«
»Blutbär.«
Er erstarrte. »Blutbär? Mein …« Angesichts dieses unvorstellbaren Gedankens schüttelte er den Kopf.
»Nein. Das kann nicht sein. Das ist unmöglich.«
Sie mied seinen Blick und knetete nervös ihre Hände. »Ich weiß es nicht genau. Er war mit Klares Wasser verheiratet. Schon bald nach der Heirat verließ sie zusammen mit Zwei Rauchwolken das Rothand-Volk.
Es hatte irgend etwas mit einem ihrer Träume zu tun. Daraufhin hat Blutbär seinen Schwiegervater, Gestutzte Feder, umgebracht.«
»Mit dem Weißes Kalb verheiratet war.« Er begriff gar nichts mehr.
Tiefe Enttäuschung und Unsicherheit breitete sich in ihm aus. »Ich weiß nicht… Warum ist denn gar nichts einfach? Warum verfängt sich alles in endlosen Kreisen?« Er schluckte. Seine Seele folgte den Spuren der Kreise, und er verstand schlagartig, was Weißes Kalb gemeint hatte.
»Was ist los? Du bist ganz blaß geworden.«
»Blut und Mist«, flüsterte er heiser. »Es hört nie auf, oder?«
»Ich verstehe kein Wort.« Sie nahm seine Hand, fühlte die Kälte auf ihrer warmen Haut. »Kleiner Tänzer? Ist alles in Ordnung? Sieh mich an.«
Geistesabwesend drehte er den Kopf, dabei nahm er ein ängstliches
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