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Vorzeitsaga 04 - Das Volk vom Fluss

Vorzeitsaga 04 - Das Volk vom Fluss

Titel: Vorzeitsaga 04 - Das Volk vom Fluss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathleen O'Neal Gear , W. Michael Gear
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Körper fühlte sich plötzlich zerbrechlich an. Geistesabwesend streichelte Heuschrecke ihn, über die Folgen nachdenkend, die der Spott der Krieger nach sich zog. Die Krieger beschuldigten Dachsschwanz offen der Gefühlsduselei. Aber ein Kriegsführer mußte eine harte Schale haben, er durfte nur praktisch denken. Jedes Zeichen von Schwäche erschütterte das Vertrauen seiner Krieger. Ein verletzlicher Führer wurde unberechenbar, und in Zeiten großer Belastung war kein Verlaß mehr auf ihn.
    Heuschrecke faßte Primel fester um die Taille. »Danke, daß du es mir gesagt hast. Ich muß solche Dinge wissen. Das verschafft mir genügend Zeit, mich auf eventuelle Folgen vorzubereiten.«
    Er wich ein wenig von ihr zurück und sah sie mit diesem jungenhaften Lächeln an, dem sie sich immer wehrlos ausgeliefert fühlte. »Heuschrecke, gehen wir wieder ins Bett? Ich möchte dich lieben. Du hast mir so sehr gefehlt.«
    »Du mir auch, Primel.«
    Er beugte sich vor, küßte sie sanft und schlang zärtlich seine Arme um sie. Seine Wärme und der regelmäßige Rhythmus seines Herzens trösteten sie wie immer in den letzten fünfzehn Zyklen.

KAPITEL 9
    Flechte saß fröstelnd auf ihrer Decke am Nordrand des Platzes und lauschte der Melodie der Flöten.
    Die anderen Kinder neben ihr lehnten mit dem Rücken an den Hauswänden und dösten. Manche drückten ihre Hunde an sich, um sich zu wärmen. Die Alten und die Mütter mit ihren Babys hockten vor den Häusern auf der Südseite des großen Platzes. Die Mondjungfrau lugte über den östlichen Horizont, ihr fahler Lichtschein schien die Kälte dieser Nacht noch zu verstärken. Flechte zog ihre Decke bis über die eiskalte Nasenspitze.
    Das Feuer, über dem der weiße Trank zubereitet worden war, brannte langsam nieder. Der heilige Trank war bereits bis zum letzten Tropfen getrunken worden. Einige Male hatte Flechte die Männer klagen hören, in der guten alten Zeit hätten die Händler so viel von den dazu benötigten Kräutern aus dem Küstenland im Süden gebracht, daß der Trank für die ganze Nacht gereicht habe. In den letzten paar Jahren, so beschwerten sie sich, habe Redweed Village zu viel Mais für die paar Kräuter eingetauscht, die sie dafür bekommen hatten.
    Flechte seufzte. Der weiße Trank war nur für die Erwachsenen bestimmt.
    Sie und die anderen Kinder hatten lange getanzt, bevor man sie vom Platz geschickt hatte. Sie sollten ein wenig schlafen, während die Erwachsenen die Zeremonie weiter vollzogen. Flechte beobachtete die sich deutlich vor den Flammen des Feuers abhebenden Silhouetten der Tänzer, die, zu sechs Kreisen formiert, singend auf und nieder hüpften und sich in Schlangenlinien über den Platz bewegten.
    Der alte Waldente mit dem verkrüppelten Bein stand singend neben den Kreisen. Er schüttelte eine Kürbisrassel und wiegte den Oberkörper vor und zurück. In seinen von Ehrfurcht erfüllten Augen spiegelte sich der Feuerschein. Er hatte die kratzigste Stimme von allen Dorfbewohnern, aber das störte niemanden. Heute nacht kam es nur darauf an, der Ersten Frau die Redlichkeit ihrer Herzen zu zeigen. Wenn sie ihre Seelen rein hielten und einander mit Güte behandelten, so hatte die Erste Frau gelehrt, werde sie sich bei Mutter Erde und Vater Sonne für die Menschen einsetzen. Auf ihre Fürsprache hin werde Regen kommen und die Ernte reichhaltig ausfallen.
    Fliegenfänger murmelte Unverständliches im Schlaf. Er rollte sich auf die andere Seite, stieß dabei Flechte schmerzhaft mit dem Ellenbogen und träumte weiter. Sie reckte sich und versuchte, ihren steifen Rücken zu entspannen.
    Die Gestalten der Tänzer verschwammen vor ihren müden Augen, sie schienen mit der Dunkelheit und der Kälte zu verschmelzen. Nur ihre Stimmen und die klingelnden Glöckchen an ihren Mokassins gaben ihr die Gewißheit, nicht von den häufig bei den Zeremonien anwesenden Wassergeistern in die Tiefe gezogen worden zu sein. Alle Farbstoffe, mit denen die Menschen ihre Körper bemalten, wurden aus den Knochen der Wassergeister gewonnen. In Nächten wie dieser, in der so viele Farben bunt erstrahlten, wurden die Geister von den Seelen ihrer toten Ahnen magisch angezogen. Sie kamen aus den Schatten heraus und sahen dem Treiben zu. Manchmal tanzten sie auch selbst, und gelegentlich raubten sie ein unartiges Kind und nahmen es mit in den See.
    Eine Windbö peitschte heftig von den Felsen herab und fegte über den Platz. Asche und Sand wirbelten durch die Luft, das Feuer zischte

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