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Vorzeitsaga 08 - Das Volk der Stille

Vorzeitsaga 08 - Das Volk der Stille

Titel: Vorzeitsaga 08 - Das Volk der Stille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathleen O'Neal Gear , W. Michael Gear
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nachfühlen…
    Er war zwar niemals richtig frei, ist niemals in den kristallklaren Himmel aufgestiegen oder auf Beute hinabgestoßen, aber sein Herz ist voller Sehnsucht. Mit jedem Flügelschlag jagt er, schlägt Beute… Wie ich.
    Ein wildes Wesen lauert in meiner Seele, und es sehnt sich danach, durch endlose Himmel zu segeln. Und doch habe ich mein Leben damit verbracht, meinen eigenen Käfig zu hauen. Jede Stange mache ich an der richtigen Stelle fest, als hinge mein Leben davon ab. Das hat mich meine Mutter gelehrt, und ihre Mutter hat es sie gelehrt, und deren Mutter hat es wiederum sie gelehrt.
    Das ist es, was wir tun. Die Menschen sperren alles ein. Hunde,
    Truthähne, Falken. Wir züchten Mais, Bohnen und Kürbis. Alles, was wild ist, wird sofort ausgerissen und vernichtet.
    Besonders, wenn das Wilde in unserem Herzen heranwächst.
    Wildheit ist gefährlich.
    Deswegen durchziehen wir die Wüsten mit Straßen. Damit niemand vom Pfad abirrt. Wir bauen große Häuser, um uns von Himmel und Erde abzusondern, bemalen unsere Wände dann mit Bildern von majestätischen Bergen und gewaltigen Stürmen und fragen: »Sehen sie nicht wirklich aus?« Wir stellen eifrig Lampen und Fackeln her und prahlen damit, daß wir uns nicht vor dem Dunkel fürchten. Aber in unserem Herzen haben wir Angst.
    Denn der Käfig ist trotz all unserer Mühen nicht sicher. Ein verzweifelter Jäger schlägt mit seinen Flügeln gegen die Stangen und sehnt sich danach, von der hoch aufragenden Klippe herunterzuspringen oder durch regengesättigte Sturmwinde hinabzuschießen.
    Der Falke da unten schreit wieder. Der schrille, verzweifelte Schrei hallt von den Hügeln und in meinem Herzen wider.
    Ich weiß, wie ihm zumute ist.
    Innerhalb des Käfigs kann der Jäger nur sich selbst jagen.

44. K APITEL
    Distel grub ihre Finger in die Erdwand der Senke des Rechten Wegs und zog sich an die Seite von Eichelhäher hoch, um über den Abhang hinweg auf Krallenstadt zu blicken. Wirbelnde dunkelgraue Wolken zeichneten sich am Abendhimmel ab, und Eulen riefen, als sie über die Klippen glitten. Sie hatte ihr langes Haar geflochten und zu einem Knoten am Hinterkopf zusammengebunden. Trotz der Kälte klebte ihr das zerrissene gelbe Kleid feucht am Körper. Der Geruch von Gras und nasser Erde stieg ihr in die Nase.
    Vier Wachtposten auf den Wällen; das weiche Licht aus den Kammern warf einen orangefarbenen Schein auf ihre Gesichter.
    Haß wallte in ihr auf. Diese Leute, vielleicht gerade diese Männer, hatten Palmlilie und Vogelkind ermordet. Sie hatten das Dorf niedergebrannt und ihren Clan abgeschlachtet. Sie hatten Distel alles genommen - alles außer Maisfaser.
    Sie kämpfte gegen die Tränen der Wut an, die ihr die Sicht trübten.
    Maisfaser, wo bist du?
    Zikade hockte in der Grabensohle, zusammen mit etwa sechzig Kriegern, die auf Befehle warteten. Es wurde allmählich dunkler, und in diesem Dämmerlicht sah sie mit ihrer stämmigen Gestalt und dem kurzen Haar aus wie ein Junge. Den ganzen Nachmittag, als sie heimlich durch den Canyon geschlichen waren, hatte Zikade vom Wiedersehen mit Maisfaser gesprochen. Das hatte Distels Herz erwärmt, denn schreckliche Alpträume hatten sie gequält, daß Maisfaser nie nach Krallenstadt gekommen wäre, daß ihre Tochter in irgendeinem Beifuß-Gestrüpp läge, tot.
    Eichelhähers Gesicht hatte nun den Ausdruck raubtierhafter Wachsamkeit angenommen. Er trug das rote Hemd, das Heuler dem toten Posten auf dem Signalturm ausgezogen hatte. Distel hatte es im Bach ausgespült, aber es roch immer noch nach Blut.
    Sie holte tief Atem. Furcht schien gleichsam in der Luft zu liegen; und sie hatten allen Anlaß, furchtsam zu sein. Die großen Städte am Canyon des Rechten Wegs waren auf Verteidigung angelegt. Wenn ein einziger Mensch einen Alarmruf ausstieß, quollen binnen einer halben Zeithand Krieger aus jeder Stadt, aus jedem Dorf entlang des Canyons. Das war ihre Stärke. Sie konnten eine feindliche Abteilung gegen die Canyon-Wände drücken und sie buchstäblich in Stücke schießen. Distel knirschte mit den Zähnen, als sie über Krallenstadt blickte. Sie hatte mitgeholfen, diese unüberwindbaren Mauern zu bauen, die stellenweise zehn Handbreit dick waren. Sie waren weder zu zerschmettern noch mit Leitern zu erklimmen; sie hatte schon einmal tapfere Krieger gesehen, die Leitern anlegten und hochzuklettern versuchten, aber die Bogenschützen vom Rechten Weg oben auf den Wällen hatten sie lachend einzeln

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