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Wait for You

Wait for You

Titel: Wait for You Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J. Lynn
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tat.
    Ich senkte den Blick und entdeckte, dass der Ärmel meines Shirts nach oben geschoben war und ich die Finger um mein linkes Handgelenk geschlungen hatte. Einen nach dem anderen hob ich meine Finger. Kleine, gerötete Druckstellen zeigten, wo das Armband sich in meine Haut gegraben hatte. In den letzten fünf Jahren hatte ich das Armband nur abgenommen, wenn ich ins Bett oder unter die Dusche ging. Diese Druckstellen waren wahrscheinlich inzwischen dauerhaft.
    Genauso wie die gezackte Narbe, die das Armband versteckte.
    Ich löste meine Hand ganz von meinem Arm. Die fünf Zentimeter lange tiefrote Narbe zog sich genau über die Mitte meines Handgelenks, direkt über der Vene. Es war ein tiefer Schnitt gewesen. Ich hatte ihn mir mit einer Scherbe aus einem Bilderrahmen zugefügt, den ich gegen die Wand geworfen hatte, nachdem das erste Foto in der Schule kursiert war.
    Zu dem Zeitpunkt, als ich mir diesen Schnitt gesetzt hatte, hatte mein Leben seinen absoluten Tiefpunkt erreicht gehabt. Ich hatte es ernst gemeint. Und es gäbe auch eine passende Narbe an meinem rechten Handgelenk, wenn das Hausmädchen nicht gehört hätte, wie das Glas zerbrach.
    Das Bild im Rahmen hatte mich mit meiner besten Freundin gezeigt; die beste Freundin, die sich als Erste von mir abgewandt hatte, um Worte wie »Flittchen« und »Lügnerin« herumzuflüstern.
    Ich hatte meinem Leben ein Ende setzen wollen. Mich einfach abmelden. Denn nichts konnte schlimmer sein als das, was mir zugestoßen war, das, wozu meine Eltern sich bereit erklärt hatten, und die daraus folgenden Konsequenzen. In wenigen Monaten war mein Leben in zwei zerfetzte Teile zerfallen: vorher und nachher . Und als die gesamte Schule sich hinter Blaine stellte, hatte ich mir nicht mal mehr ein Nachher vorstellen können.
    Und jetzt? Erschien mir das Nachher ziemlich endlos. Trotzdem brannte Scham in meinem Herzen, als ich auf die Narbe starrte. Selbstmord war nie ein Ausweg, und mich abmelden hätte nur bedeutet, die anderen gewinnen zu lassen. Diese Lektion hatte ich ganz allein gelernt, nachdem mir die Möglichkeit einer Therapie versagt gewesen war. Meine Eltern hätten sich lieber die Beine abgehackt, als sich der Peinlichkeit preiszugeben, dass ihre Tochter wegen eines Selbstmordversuchs einen Psychiater brauchte. Eine Menge Geld hatte den Besitzer gewechselt, um meinen Ausflug ins Krankenhaus zu vertuschen.
    Anscheinend hatten meine Eltern kein Problem damit, dass ihre Tochter allgemein als verlogenes Flittchen verschrien war.
    Ich hasste es, den physischen Beweis meiner Schwäche zu betrachten. Falls jemals jemand die Narbe sah, würde ich vor Scham im Boden versinken.
    Ein plötzliches, tiefes Lachen im Flur erregte meine Aufmerksamkeit – Cams Lachen. Ich drehte den Kopf in Richtung Küche. Die Uhr am Herd verkündete, dass es fast ein Uhr morgens war.
    Ich schob meine Ärmel nach unten.
    »Kannst du Freitagabend nicht schwänzen?«, fragte eine weibliche Stimme, die durch die Tür ein wenig gedämpft wurde.
    Es folgte eine kurze Pause, dann hörte ich Cam sagen: »Du weißt, dass ich das nicht kann, Süße. Vielleicht nächstes Mal.«
    Süße? Oh! Ich hörte ihre Schritte um das Geländer des Treppenhauses herumgehen, dann, wie sie die Treppe herunterliefen.
    Ich rannte um die Couch herum und zum Fenster. Nachdem meine Wohnung am Ende des Blocks lag und den Parkplatz überblickte, musste ich nur warten. Und da waren sie auch schon – Cam, wie immer mit nacktem Oberkörper, und ein Mädchen.
    Eine wirklich große, langbeinige Brünette in einem süßen Jeansrock. Mehr konnte ich vom Fenster aus nicht erkennen, als sie den Parkplatz überquerten. Das Mädchen stolperte, fing sich aber, bevor Cam einschreiten musste. Sie hielten hinter einer dunklen Limousine an. Ich fühlte mich wie ein Spanner, aber gleichzeitig war ich fasziniert.
    Cam sagte etwas und lachte, als das Mädchen ihn spielerisch an der Schulter anstupste. Eine Sekunde später umarmten sie sich, dann wich er zurück, winkte ihm noch mal zu und wandte sich wieder unserem Wohngebäude zu. Auf halben Weg hob er den Blick zu unserem Stockwerk, und ich sprang wie ein Vollidiot nach hinten. Er konnte mich nicht sehen. Ohne Licht in der Wohnung war das unmöglich.
    Ich lachte über mich selbst, dann verstummte ich, als ich hörte, wie sich im Flur eine Tür schloss.
    Erleichterung überkam mich und sorgte dafür, dass meine verspannten Muskeln sich lockerten. Ihn mit einem anderen Mädchen zu sehen

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