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Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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großen Tornow, das eben in tausend Tropfen von unserm Ruder fällt, funkelt in allen Farben des Lichts. Ein Schwarm Tauben blitzt durch die Luft und ein Reh tritt aus dem Wald ans Ufer und blickt uns nach. Es weiß, es darf es.
    »Friede« ist die Parole am großen Tornowsee.
     

Möglin
     
    Das Kleine blieb,
    Das Große ist vergessen.
    Die Zeit verfließt, wohl hundert Jahr
    Verflossen unterdessen.
     
    Etwa eine halbe Meile vom Westrande des Oderbruchs entfernt liegt Möglin, ein nur zwölf Häuser zählendes, weder durch Größe noch Bodenbeschaffenheit ausgezeichnetes Dorf, dem nichtsdestoweniger der Ruhm zufiel, in alter und neuer Zeit unter den historischen Dörfern des Landes genannt zu werden.
    Drei Jahrhunderte lang lebten hier die im Ober-Barnim reichbegüterten Barfuse 16 , die sich, wie wir das noch in dem Kapitel Prädikow hervorheben werden, in zwei Linien teilten, in die Barfuse von Prädikow, und in die Barfuse von Möglin. Der berühmteste Barfus (Hans Albrecht von Barfus; Feldmarschall unter König Friedrich I.) war ein Mögliner Barfus; er verließ aber früh sein väterliches Gut, kehrte nie wieder dahin zurück und ist deshalb der Erinnerung des Dorfes verlorengegangen.
    Aber von einem unberühmten Barfus geht noch die Sage daselbst. Das macht, der lokale Vorfall ist immer siegreich über das historische Ereignis; das Allgemeine verblaßt, das Besondere gewinnt an Kraft.
    Dieser einzige Barfus, von dem Möglin und seine Bewohner noch wissen, ist Dietlof von Barfus. Sie wissen von ihm, daß er reich war, daß er vierzig Dörfer besaß, und daß er in einer Winternacht, als er zu Schlitten von Wriezen kam, seinen plötzlichen Tod fand. Es war Schneetreiben, nicht Weg nicht Steg erkennbar. Durch die nächtliche Öde hin, immer gradaus, dem Instinkt der Pferde das Beste überlassend, so ging die Fahrt. Schon waren sie dicht am Dorf, da, auf einem überschneiten und nur mit dünnem Eis bedeckten Sumpfloch brach der Schlitten ein und alles ging in die Tiefe.
    Die kleine Feldsteinkirche (ohne Turm) ist aus der ersten christlichen Zeit und stand hier um vieles früher, als die Barfuse nach Möglin kamen. In der Kirche selbst aber, aus verhältnismäßig später Zeit, hängt ein Wappenschild des alten Geschlechts, schmucklos, grün und rot übermalt und mit der Umschrift: »Alexander von Barfus, geboren 1580 den II. Decembris, gestorben den 19. Decembris 1647«. Wahrscheinlich ein Onkel, vielleicht auch der Großvater Hans Albrechts.
    Die Pfuels, die Möglin in ältester Zeit besaßen, hatten es hundert Jahre, die Barfuse dreihundert inne. Dazwischen lag ein Interregnum, das zwanzig oder dreißig Jahre gedauert haben mag und von dem wir, mit Hilfe des Schloßregisters von 1450, nur erfahren, »daß in Möglin ein Schäfer war«. Das klingt wie eine Verheißung für die Zukunft und der Schäfer von 1450 erscheint uns fast wie der Schatten, den Albrecht Thaer, »der Mögliner Schäfer par excellence«, durch vier Jahrhunderte rückwärts wirft. Ihm, der dem Namen »Möglin« zu einem weit über die Grenzen unseres Landes hinausgehenden Ruhme verholfen hat, wenden wir uns nunmehr ausführlicher zu.
     
Albrecht Daniel Thaer
     
    Ehre jedem Heldentume,
    Dreimal Ehre deinem Ruhme,
    Aller Taten beste Tat
    Ist: Keime pflanzen für künftige Saat.
     
    Albrecht Daniel Thaer wurde am 14. Mai 1752 zu Celle geboren. Sein Vater, Hofmedikus ebendaselbst, stammte aus Liebenwerda in Sachsen; seine Mutter war die Tochter des Landrentmeisters Saffe zu Celle. Seine ersten Studien machte Albrecht Thaer auf dem Gymnasium seiner Vaterstadt, aber er verfuhr dabei in so unregelmäßiger Art und Weise, daß er, um ihn selbst zu zitieren, »im sechzehnten Jahre französisch und englisch sprechen konnte, aber kein Wort lateinisch verstand«. Die Lehrer ließen es eben gehen. Endlich entdeckte er sich dem Rektor des Gymnasiums, nahm Privatstunden und holte in einem einzigen Jahre alles Versäumte so völlig nach, daß er, abermals ein Jahr später, imstande war, nach Göttingen zur Universität abzugehen.
    Sein ganzes Wesen damals, im Gegensatz zu seinen reiferen Jahren, war genialisch und exzentrisch; er hatte etwas Wunderkindartiges an Gaben wie an Unarten. Mit großem Eifer wandte er sich der Medizin zu und schien namentlich bestimmt, in der Chirurgie Bedeutendes zu leisten. Er verweilte tagelang, das Seziermesser in der Hand, auf dem anatomischen Saal, sah aber bei der ersten Operation, der er beiwohnte, daß er

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