Wanderungen durch die Mark Brandenburg
das ist doch schließlich immer das Entscheidende!
Aber den Dachsberg in Ehren, in Wahrheit sind es doch seine beiden Seen, wie namentlich auch die Schlucht, die diese verbindet, was seine Schönheit ausmacht. Die beiden Seen heißen der kleine und große Tornowsee und die Schlucht heißt die »Silberkehle«. Jene blicken zu dem Berge hinauf, der seinerseits terrassenförmig ansteigt. Am Fuße der Treppe breitet sich der große Tornow aus, auf dem mittleren Absatz aber liegt der kleine Tornow, dunkel und still und in verschwiegener Tiefe.
Von der Kuppe des Hügels herab überblickt man nur den kleineren See; Baumpartien fassen ihn ein und beschränken die weitere Fernsicht. Das Terrassenförmige des Berges kommt deshalb wenig zur Erscheinung. Möglich, daß das Landschaftsbild an Reiz gewönne, wenn ein unbehindertes Auge, die Stufen der Treppen herniedersteigend, erst bei der kleineren und dann endlich tief unten bei der größeren Wasserfläche verweilen könnte. Aber auch, wie es ist, ist es schön.
Der kleine Tornow ist einer jener »Teufelsseen«, denen man in der Mark, an den Abhängen der Hügel, so oft begegnet. Ihr Name bezeichnet ihren Charakter. Das Wasser ist schwarz, dunkle Baumgruppen schließen es ein, breite Teichrosenblätter bilden einen Uferkranz und die Oberfläche bleibt spiegelglatt, auch wenn der Wind durch den Wald zieht. Es ist, als hätten diese dunklen Wasser einen besonderen Zug in die Tiefe und als stünden sie fester und unbeweglicher da, als andere. 15
So ist auch der kleine Tornow einer von jenen Seen, an denen Sage und Märchen am liebsten verweilen und von Prinzessinnen erzählen, die in der Johannisnacht aus dem dunklen Wasser steigen und mit Silberrosen im Haar freundlich-traurig am Ufer sitzen.
Nicht so der große Tornowsee, der fünfzig Fuß tiefer seine breite und hellere Wasserfläche am Fuß des Berges ausdehnt. Ihm schreiten wir jetzt zu. Unser Weg dahin ist die Silberkehle.
Die Silberkehle führt ihren poetischen Namen daher, weil an beiden Abhängen, wo das von Moos und Humus entkleidete Erdreich sichtbar wird, eine Wand von Glimmersand zutage tritt. Dieser Glimmersand blitzt und glitzert wie Silber und liegt so fest auf, daß es möglich ist, Namen und Figuren wie in Sandstein hineinzuschneiden. Die Silberkehle hat völlig den Charakter einer Gebirgsschlucht und zeigt auf ihrem Lauf ein tiefausgehöhltes Bett mit all den Zerstörungen niederstürzender Bäche. Feldsteine, fest in den Sand gerammt, Laubholzbäume rechts und links über den Weg geworfen, Spuren von Wind und Wasser überall. Aber heute, wo wir des Weges kommen, ruht rings umher der Streit der Elemente. Wie eine Mühle am Sonntag, so liegt die Silberkehle da, das Triebrad steht still, das Wehr ist gesperrt. Erst im Frühjahr, wenn der Schnee schmilzt, oder im Sommer, wenn die Regengüsse kommen, dann wird es wieder lebendig hier. Dann jagt das Wasser zu Tale, dann ist es wieder, als schäumten und klapperten hundert Räder hier, und wieder werden neue Bäume unterhöhlt und gefällt und die eingerammten Steine wie Kiesel weiter nach unten gerissen.
Wir sahen das Bild bei Herbstesstille; nur am Fuße des Berges plätscherten ein paar Quellen. So traten wir aus der Enge der Schlucht ins Freie und blickten auf die Fläche des großen Sees. Er ist dem kleinen Tornow unähnlich, liebt das Licht wie dieser den Schatten und gewährt ein Bild heiterer Ruhe. Grün ansteigende Ufer fassen ihn ein, rote Fichtenstämme spiegeln sich und wenn erst, wie beabsichtigt, der Wasserdruck des höher gelegenen kleinen Sees benutzt sein wird, um mitten auf dem großen einen natürlichen Springbrunnen steigen zu lassen, so wird dieser Eindruck des Heiteren noch gewachsen sein.
Am Ufer des großen Tornowsee erhebt sich eine Villa, ein Schweizerhaus. Der Erbauer, in Huldigung gegen den Ort, an dem er den zierlichen Bau entstehen ließ, hat ihm den Namen »Haus Tornow« gegeben. Das hat einen guten Klang. Stille weilt rundum. Es ist ein Platz für Rast und Ruhe, und wer empfände nicht die Sehnsucht danach! Bilder schmücken die Zimmer der Villa und Wein und Blumen ranken sich an Wand und Laubengang empor. Aber der schönste Blick, den »Haus Tornow« gewährt, bleibt doch der auf den See. Ein Kahn liegt bereit und trägt uns darüber hin, leicht und glatt. Denn hier walten keine tückischen Mächte. Aus der Tiefe des »kleinen Tornow« herauf könnt' uns eine Hand, eine Stimme vielleicht nach unten ziehen, aber das Wasser des
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