Wanderungen durch die Mark Brandenburg
darunter eine Flamme. Am oberen und rechtsseitigen Rande liest man in großen lateinischen Buchstaben: Agere aut pati fortiora. Nach allem ist anzunehmen, daß es Dragonerstandarten waren, vielleicht von Derfflingers eigenem Regiment. Über ihre brandenburgische Zugehörigkeit lassen die metallenen Fahnenspitzen keinen Zweifel. Die eine zeigt in zierlich durchbrochener Arbeit einen einköpfigen Adler mit der kurfürstlichen Krone, die andere die Chiffre F. III. (Friedrich III.) und darüber die gleiche Krone.
Das Grabgewölbe Derfflingers befindet sich unter dem Altar. Eine Falltür führt hinab, aber sie pflegt sich keinem Besucher mehr zu öffnen. Diese Maßregel wurde nötig infolge von Unbilden, denen die irdischen Überreste des alten Helden durch viele Jahre hin ausgesetzt waren. Er lag, so hört' ich, ein volles Jahrhundert lang in seiner Gruft, ohne daß sich Freund oder Feind um ihn gekümmert hätte. Erst als vor vierzig oder fünfzig Jahren der Sinn für das Heimische lebendig zu werden begann, kamen Reisende von nah und fern, die den alten Derfflinger sehen wollten. Ja, mit der Zeit wurde es Mode, neben dem schönen Gusower Park auch die Gruft des alten Feldmarschalls zu besuchen. Eine Mischung von Frivolität und Kuriositätenkrämerei find an ihr Spiel zu treiben und eh' ein Dutzend Jahre um war, lag der alte Feldmarschall, wie von Kroaten geplündert, in seinem halb erbrochenen Sarge, nur noch mit zwei großen Reiterstiefeln angetan, die man ihm wohl oder übel gelassen hatte. Dagegen mußte schließlich Remedur geschafft und der Sarg vor profaner Neugier oder Schlimmerem geborgen werden. So wurde denn der Tote samt der zerbrochenen Sargkiste, darin er lag, in einen schweren Eichensarg gesetzt und der Deckel ein für allemal geschlossen. (Nach Aussagen solcher übrigens, die bei dieser Umbettung ihn sahen, wäre seine frühere Kleidung: einfaches Wams und schwarze Hosen noch sehr wohl erkennbar gewesen.)
Mit Worten Paulis aber, des ersten Derfflingerschen Biographen, nehmen wir Abschied von unserem Helden: »Er erreichte das höchste Alter in höchsten Ehren. Das Alter allein hat keinen Anspruch auf unsere Ehrerbietung, aber wo wir Weisheit und den Sieg der Vernunft über Leidenschaft und Vorurteil mit ihm gepaart finden, da wird es uns ehrwürdig und liebenswert. Alles dies verband Derfflinger mit einer ungeheuchelten Gottesfurcht. Er unterhielt dieselbe durch Johann Arnds ›Wahres Christentum‹, das er sich fleißig vorlesen ließ. Unschuld und fromme Sitte bereiteten ihn sein lebelang auf jenen Augenblick des Todes vor, der ein Schrecken der Gottlosen, aber die Zuversicht und der Frieden der Frommen ist.«
Schloß Friedersdorf
Ich kenne die Türme, die Zinnen,
Die steinerne Brücke, das Tor.
In der Nähe von Gusow liegt Friedersdorf, seit Ende des siebzehnten Jahrhunderts im Besitze der Familie von der Marwitz. 36
Vom Städtchen Seelow aus erreicht man es in einer Viertelstunde. Die Landschaft ist reizlos, im wesentlichen auch das Dorf, und erst in der Mitte desselben, wo wir die Parkbäume, die bis dahin den Untergrund des Bildes bildeten, in einem flachen, weit gedehnten Teiche sich spiegeln und die weißgrauen Wände des Schlosses durch das ziemlich dichte Laubwerk hindurchschimmern sehen, wird es uns leichter ums Herz. Und jetzt noch eine Biegung und durch eine von zwei Obelisken gebildete Einfahrt hin, führt uns unser Weg bis vor die gastlich geöffnete Tür.
Das Friedersdorfer Herrenhaus ist so recht das, was unsere Phantasie sich auszumalen liebt, wenn wir von »alten Schlössern« hören. Die Frage nach dem Maß der Schönheit wird gar nicht laut; alles ist charaktervoll und pittoresk, und das genügt. Auch hier. Die Front- und Seitengiebel sind staffelförmig mit Türmchen besetzt, und die hohen und deshalb schmal erscheinenden Fenster mit ihren desto breiteren Pfeilern dazwischen, steigern nur den Eindruck des Eigentümlichen und geben ein Ansehen von Halt und Festigkeit. Rosenbäume wachsen über die Glastür hinaus, die von der Halle her in Park und Garten führt, vor der Front des Hauses aber, inmitten eines von Kieswegen umzirkten und von mächtigen alten Kastanien überschatteten Grasplatzes, stehen ein paar gußeiserne Böller und mahnen an den kriegerischen Geist, der hier durch viele Generationen hin lebendig war.
Wir betreten das Haus und verwundern uns über seine Raumfülle. Das macht, es stammt noch aus jener vornehmen Zeit her, wo man die vorhandene
Weitere Kostenlose Bücher