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Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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Gesamträumlichkeit in wenige imposante Gemächer teilte, statt sie wie jetzt in zahllose Stuben und Stübchen hotelartig zu verzetteln. Die Baumeister waren damals noch bei keinen Hauswirten in die Schule gegangen und hatten noch nicht gelernt, der trivialsten Ökonomie die Schönheit und Stattlichkeit der Verhältnisse zu opfern. Es war noch die Epoche der Treppen und Korridore, die Zeit der Renaissance.
    Die Halle des Hauses nimmt uns auf, und zahlreiche Familienporträts blicken auf uns nieder, als stattlichstes unter ihnen ein Porträt über dem Kamin. Es ist das überlebensgroße Bildnis des alten Generalleutnants von Görtzke, des sogenannten »Paladins des Großen Kurfürsten«, der im Jahre 1652 Schloß Friedersdorf erstand, es renovieren ließ und in ihm verstarb. Wie derselbe lebenslang neben Derfflinger gestanden und den Ruhm des alten Feldmarschalls geteilt hatte, so fand er sich auch schließlich wieder auf nachbarlicher Scholle mit ihm zusammen.
    Dieses Bild über dem Kamin interessiert uns aus mehr als einem Grunde. Ganz geharnischt, den Kommandostab in der Rechten, die leichte Feldbinde um den Hals, so steht der Alte da. Sein Helm ruht neben ihm auf einem Felsvorsprung und das lange Haar fällt dunkel und beinah lockig herab. Finsterer Ernst und kalte Bestimmtheit sprechen aus seinen Zügen. Es knüpft sich ein anekdotischer Hergang an dieses Bild, charakteristisch für den Mann und die Zeit, und vielleicht auch für die Stellung, die die schönen Künste damals in brandenburgischen Landen einnahmen. Görtzke war bei Lützen schwer verwundet worden und hinkte seitdem; sein linker Fuß war zu kurz geheilt und eine dicke, handhohe Holzsohle mußte wieder gutmachen, was das Unglück oder das Ungeschick des Arztes verschuldet hatte. Es scheint, daß er sich an diesen Holzfuß nicht gern erinnern ließ oder eine Vorstellung von der Pflicht des Idealisierens hatte, die dem romantischsten Vertreter der ehemaligen Düsseldorfer Schule Ehre gemacht haben würde. Als der Maler ihm das Bild brachte, fiel Görtzkes Auge zuerst auf die Holzsohle, die natürlich nicht fehlte, und im Unmut über den gewissenhaften Realisten warf er ihn die Treppe hinunter. Eine kaum minder empfindliche Strafe folgte: Görtzke behielt das Bild und verweigerte die Zahlung.
    Das lebhafte Interesse, das wir zeigen, führt zu der Mitteilung, daß noch ein zweites Bild des alten Paladin, ein Grabsteinbild vorhanden sei und diesem zweiten Bildnisse durch die Kiesgänge des Parkes hin nachgehend, blicken wir alsbald in eine Dorfkirche hinein, die sehr wahrscheinlich in märkischen Landen nicht ihresgleichen hat. Ein Zusammenwirken von Umständen war nötig, um eine Ausschmückung wie diese zu schaffen: lang andauernden Besitz und ein Herz für Kunst und Kirche. Saubere Pfeiler von braunem Eichenholz tragen die weit vorspringenden Emporen, und allerhand Bilder und Inschriften umziehen die Brüstung derselben. Überall treten aus dem alten Mauerwerke Grabmonumente hervor, und Porträts, Sarkophage, Büsten und symbolische Figuren leihen diesem Kircheninneren etwas von dem Schönheitlichen und beinah heiter Anregenden eines Museums. Was den Eindruck dieser künstlerischen Heiterkeit noch steigert, ist das Vorherrschen der Farbe oder doch ihr glückliches sich Vermählen mit dem Weiß des Marmors. Steinerne Grabmonumente wecken oft mehr Schauer als Erhebung, hier aber werden die weißen Marmorgruppen zu bloßen Umrahmungen für die Bilder, die nun den Sieg über den kalten Marmor und die noch kältere Symbolik davontragen. Der Saturn wird zum gemütlichen Alten, wenn er ein Medaillonbild in Händen hält, das in allen Farben des Lebens lacht.
    Unter solchen Betrachtungen sind wir das Mittelschiff hinaufgeschritten und werden nunmehr, unmittelbar zur Linken des Altars, jenes Görtzkeschen Steinbildes gewahr, das zunächst Veranlassung zu unserem Kirchenbesuche gab. Neben ihm, in gleicher Höhe und Größe, ist das Reliefbild seiner Gemahlin, einer geborenen von Schlieben, in den Wandpfeiler eingelassen. Beide Grabsteine lagen früher an anderer Stelle, unmittelbar über der Gruft, und erst bei Renovierung der Kirche hat man sie aufgerichtet und ihnen den Ehrenplatz neben dem Altar gegeben. Vergleicht man dieses Steinbild des alten Görtzke mit seinem Ölporträt in der Halle, so bemerkt man allerdings Verschiedenheiten. Der Klumpfuß und die Krücke zeigen sich auch hier; ebenso tritt einem etwas typisch Märkisches im Ausdruck des Kopfes

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