Wanderungen durch die Mark Brandenburg
und auch später noch als die »große Tour« bezeichnete, den Besuch der Höfe und Hauptstädte des westlichen Europa. Nach längerem Verweilen in Paris, wo der Gesandte Kaspar von Blumenthal seinen brandenburgischen Landsmann am Hofe Ludwigs XIV. einführte, begab er sich zunächst über Turin und Mailand nach Venedig, besuchte im selben Jahre noch Rom, Neapel, Messina und Syrakus, erschien im September 1662 vor dem Großmeister des Malteserordens auf Malta, bat um die gern gewährte Ehre, einen Streifzug gegen die Ungläubigen mitmachen zu dürfen, wandte sich dann nach glücklicher Rückkehr von Malta nach Spanien, von Spanien nach England und kehrte über Amsterdam und Hamburg, nach einer fünfjährigen Abwesenheit, in die märkische Heimat zurück. »Er betrat sie wieder, nachdem er – wie sein Biograph sich ausdrückt – alles gesehen hatte, was es damals Großes und Ausgezeichnetes in Europa gab: den üppigen Hof des prachtliebendsten Königs, die Kunstschätze Italiens, den Glanz der Fastnachtsspiele in Venedig, das ritterliche Treiben auf Malta, den Hof der Dorias, die Grandezza Spaniens und die junge Freiheit der Niederlande.«
Ich habe bei der vorstehenden Aufzählung absichtlich länger verweilt, um daran einige Betrachtungen über die Erziehung junger Edelleute von damals und von heute zu knüpfen. Wir sind nur allzusehr geneigt, unsere jetzige Methode als etwas vergleichsweise Vorgeschrittenes und Zweckentsprechendes anzusehen, und doch möchte sich die Frage aufwerfen lassen: wie viele Familien haben wir zur Zeit im Brandenburgischen, die geneigt sind, einen derartigen »Kursus«, eine fünfjährige Tour durch Europa, lediglich an die weltmännische Ausbildung ihrer Söhne zu setzen? Damals war ein derartiges »die hohe Schule Beziehen« so allgemein, daß unser Hans Adam seinen Pariser Aufenthalt mit einem Aufenthalt in Orleans vertauschen mußte, »weil ihm die Anwesenheit so vieler Deutschen in Paris an völliger Erlernung der französischen Sprache hinderlich war.«
Seit hundert Jahren ist bei uns »die Armee« die hohe Schule für die Söhne unserer alten Familien geworden, und so unleugbar der große politische und nationale Fortschritt ist, der in dieser Wandlung der Dinge liegt, so fraglich erscheint es doch, ob dem gegenwärtig Gültigen auch nach der Seite der weltmännischen Bildung hin der Vorzug gebührt. Jene edelmännische Erziehung, die Hans Adam von Schöning erhielt, erweiterte den Blick, während unsere jetzige nur allzusehr geeignet ist, den Blick zu beschränken. Wie vorzüglich auch das sein mag, was daheim gehegt und gepflegt wird, die Isolierung hindert die Wahrnehmung, ob draußen in der Welt nicht vielleicht doch noch ein Vorzüglicheres entstanden ist. Wir haben diesen Fehler einmal in unserer Geschichte schwer gebüßt. Die Armee müßte nur die eine Hälfte unserer adeligen Erziehung sein, und die andere Hälfte, nach Vorbild dessen, was früher Sitte war, folgen. Der Eintritt aus des Vaters Edelhof in die Armee und der Rücktritt aus der Armee in den Edelhof – das genügt nicht mehr. Es ist dies einer der Punkte, wo das Bürgertum den Adel, wenigstens den unsrigen, vielfach überholt hat.
Aber wenden wir uns wieder unserm Schöning zu. Bald nach seiner Rückkehr starb sein Vater (1665) und kaum vierundzwanzig Jahre alt wurde Hans Adam Besitzer von Tamsel. Ziemlich um dieselbe Zeit trat er in kurfürstlichen Dienst, vermählte sich 1670 mit einem Fräulein von Pöllnitz, avancierte rasch, wurde Rittmeister, Oberst, Gouverneur von Spandau und war mit kaum sechsunddreißig Jahren Generalmajor. Dieser seiner Ernennung, die 1677 erfolgte, waren aber bereits kriegerische Ereignisse: eine Kampagne am Oberrhein gegen Turenne (wo ihm bei Erstürmung eines festen Platzes die drei äußern Finger der rechten Hand zerschmettert wurden), die Verjagung der Schweden aus der Mark 53 und die Eroberung Stettins vorausgegangen.
Hans Adam von Schöning war nun Generalmajor. Die beiden ersten Akte des Krieges mit Schweden hatten ausgespielt. Die Marken waren befreit, Stettin erobert. Das folgende Jahr brachte gleiches Waffenglück. Rügen wurde besetzt und das feste Stralsund, das seit den Tagen Wallensteins für uneinnehmbar gegolten, fiel, nach weniger als einer Woche, in die Hände des Kurfürsten. An allen diesen Waffentaten nahm Hans Adam rühmlichen Anteil; wir folgen ihm aber bei keiner derselben und begleiten ihn vielmehr auf dem weniger durch seine Resultate, als durch die
Weitere Kostenlose Bücher