Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
Vom Netzwerk:
Daß mein Sohn so généralement von aller Welt beklaget und bedauert wird. (Es ist étonnant, was man hier für ihn thut. Die Menschen sprechen nur von ihm. Sein Portrait haben hier zwei Leute, eines davon der Maler, wo er zeichnen lernte. Dies Bildniß wird oft abgeholet, um copirt zu werden. Der Maler hat noch einige Studienblätter, auf denen der Name meines Sohnes steht. Sie kaufen alles weg, und zahlen, was er haben will. In den größten Häusern wird er bedauert, als ob ihnen ein Verwandter gestorben wäre.)
    Der Kronprinz soll so wehmütig Abschied von ihm genommen haben.
    Endlich schreibt mir der König so viel gnädige Briefe und bittet mich recht, mich zufrieden zu geben. Aber, mein lieber Bruder, hart ist es für einen Vater, sein Kind auf solche Art zu verlieren. Der König hat mir eine information aus den Acten schicken lassen. Anfänglich habe ich sie nicht lesen wollen, aber nun möchte ich um nichts in der Welt, daß ich diese information nicht hätte. Mein Herz möchte manchen Morgen vor Thränen vergehen, wenn ich an meinen lieben Sohn gedenke. Manche Zeit geht es, aber dann kommt wieder ein Stoß, so daß ich mich nicht fassen kann. Und doch, mein lieber Bruder, lasset uns den barmherzigen Gott und seine Zornruthe in Demuth küssen... Gott wird uns nicht verlassen. Was wir nicht erleben, wird er unsere Kinder genießen lassen. Mein Sohn hat mich einige Stunden vor seinem Ableben gebeten, unseren Albrecht nach Halle zu schicken und im Pädagogio in Gottesfurcht erziehen zu lassen. Er hätte Freylinghausen's ›Theologia‹ viermal durchgehöret; die thäte ihm an seinem Ende wohl. Ich möchte mich nicht so sehr betrüben über seinen Abschied. Er versicherte mir, daß er gewiß selig werde und hat dem Prediger zum Zeugniß seines Glaubens die Hand gegeben. Nun, mein lieber Bruder, lebet wohl... Ich bin Euer getreuer Diener H. H. Katt. Königsberg, den 19. Dezbr. 1730. Nachschrift: Schreibet mir doch, ob Ihr meines Sohnes Brief an den König, an den Feldmarschall (von Wartensleben) und an mich habet. Auch die Königl. Reprimande an das Kriegsgericht und seine eigene Sentenz.«
     
Das Recht und das Schwert
    Die Hinrichtung Kattes, abgesehen von ihrer geschichtlichen Bedeutung, ist auch in ihrer Eigenschaft als Rechtsfall immer als eine cause célèbre betrachtet worden. War es Gesetz oder Willkür? War es Gerechtigkeit oder Grausamkeit? So steht die Frage. Unsere Zeit, einerseits in Verweichlichung, andererseits in Oberflächlichkeit, die nicht tief genug in den Fall eindringt, hat in dem Geschehenen einen Fleck auf dem blanken Schilde der Hohenzollern erkennen wollen. Ich meinerseits erkenne darin einen Schmuck, einen Edelstein. Daß es ein Blutkarneol ist, ändert nichts.
    Entscheidend für die Beurteilung des Katte-Falles erscheint mir in erster Reihe die Frage: »Wie hat sich die damalige Zeit dazu gestellt?«
    Lesen wir die zeitgenössischen Berichte, so kommt uns freilich der Eindruck, daß ein Zittern durch die halbe Welt gegangen sei. Sind wir aber aus dem »Sensationellen« der Erzählung erst heraus, beginnen wir zu sichten und zu sondern, so werden wir sehr bald gewahr, daß die tiefgehende, ganz unzweifelhaft vorhandene Bewegung der Gemüter nicht dem Katte-Fall, sondern dem begleitenden Kronprinzen-Falle gilt, und daß man in solch ungeheurer Aufregung war, nicht um des Geschehenen, sondern um des vielleicht noch zu Geschehenden willen. Wird das Schwert, das den Leutnant von Katte traf, auch den Kronprinzen treffen? Das war es, was alle Schichten der Gesellschaft in Schrecken setzte. Von dem Augenblick an, wo diese Furcht aus den Gemütern gewichen war, war der Schrecken überhaupt dahin, und nur dem Umstande, daß die Schicksale Kattes und des Kronprinzen viele Wochen lang Hand in Hand gingen und fast identisch erschienen, nur diesem Umstande ist es zuzuschreiben, daß die Vorstellung, die Hinrichtung sei als etwas Außerordentliches oder gar Unerhörtes angesehen worden, jemals hat Platz greifen können.
    Es liegt vielmehr umgekehrt, und weder in den Pöllnitzschen Memoiren noch in denen der Markgräfin findet sich, bei schärferer Prüfung, auch nur ein einziges dahin lautendes Wort. Es findet sich nicht und kann sich nicht finden: denn Hof, Adel, Armee 51 fanden eben alles, was geschah, zwar streng, sehr streng vielleicht, aber schließlich doch nur in der Ordnung. Jedenfalls statthaft, zulässig. Ja die Familie selbst, so tief erschüttert sie war (vgl. die zwei vorstehenden

Weitere Kostenlose Bücher