Warte auf das letzte Jahr
Antlitz seines ehemaligen Lageristen auf dem Monitor sichtbar. »Sie wollen wissen, was mit Kathy geschehen ist«, sagte Simon Ild grußlos. »Ich werde Ihnen sagen, was mir ein Freund erzählt hat. Er hat sie im Edmund-G.-Brown-Krankenhaus für Neuropsychiatrie getroffen; damals litt er an einem Nervenzusammenbruch, wie Sie es bezeichnen würden.«
»Das würde ich zwar nicht«, brummte Eric, »aber fahren Sie fort.«
»Sie besaß keine Selbstkontrolle mehr«, berichtete Simon. »Ihre Wutanfälle, ihre selbstzerstörerischen Sauftouren, bei denen sie alles kurz und klein schlug, traten immer häufiger auf. Man lieferte sie ein und setzte sie unter Phenothiazin, und das half ihr zu Anfang, wie sie meinem Freund selbst sagte, doch schließlich nützte selbst die größte Dosis Phenothiazin nichts mehr. Ich schätze, es lag an einer Schädigung ihres vorderen Gehirnlappens. Und sie hatte Schwierigkeiten, sich zu erinnern. Und Verfolgungswahn; sie glaubte, daß jeder gegen sie war und versuchen würde, sie zu verletzen … keine großartige Paranoia, sondern eher eine unentwegte Reizbarkeit, die dazu führte, daß sie alle Leute bezichtigte, ihr etwas vorzuheucheln, ihr etwas zu verschweigen – sie beschuldigte wirklich jeden.« Er schloß: »Sie hat auch über Sie gesprochen.«
»Was hat sie gesagt?«
»Sie hat Ihnen und diesem Psychiater – wie war doch gleich sein Name? – vorgeworfen, Sie in das Krankenhaus hineingebracht zu haben, um sie nie wieder hinauszulassen.«
»Weiß sie, warum wir das getan haben?« Warum wir das tun mußten, dachte er.
»Sie sagte, sie liebte Sie, aber Sie wollten sie loswerden, um eine andere zu heiraten. Und Sie hätten geschworen, damals, als Sie sich scheiden ließen, daß es keine andere Frau gäbe.«
»In Ordnung«, nickte Eric. »Danke, Simon.« Er unterbrach die Verbindung und rief dann das Edmund-G.-Brown-Krankenhaus für Neuropsychiatrie in San Diego an.
»Edmund-G.-Brown-Krankenhaus für Neuropsychiatrie«, leierte eine nervöse, überarbeitete Frau mittleren Alters herunter, die in der Telefonzentrale des Krankenhauses saß.
»Ich möchte mich nach Mrs. Katherine Sweetscents Befinden erkundigen«, sagte Eric.
»Einen Moment, Sir.« Die Frau sah in ihren Unterlagen nach und leitete dann das Gespräch zu einer der Stationen weiter; Eric erblickte eine junge Frau, die statt der weißen Schwesterntracht ein normales geblümtes Wollkleid trug.
»Mein Name ist Dr. Eric Sweetscent. Wie ist Mrs. Katherine Sweetscents Befinden? Macht sie irgendwelche Fortschritte?«
»Seit Ihrem letzten Anruf vor zwei Wochen, Doktor, hat sich keine Veränderung ergeben. Aber ich werde auf jeden Fall ihre Akte holen.« Die Frau verschwand vom Monitor.
Großer Gott, dachte Eric. Seit zehn Jahren schon kümmere ich mich um sie; wird es den Rest meines Lebens so weitergehen?
Die Krankentechnikerin kehrte zurück. »Sie wissen, daß Dr. Bramelman die neue Gloser-Klein-Einheit zur Behandlung von Mrs. Sweetscent einsetzt – um das Gehirngewebe zu veranlassen, sich aus eigener Kraft zu regenerieren. Aber bisher …« Sie blätterte in den Unterlagen. »Die Ergebnisse sind nicht sehr vielversprechend. Ich würde vorschlagen, daß Sie uns noch einmal in einem oder besser in zwei Monaten anrufen. Vorher ist mit einer Besserung nicht zu rechnen.«
»Aber es könnte damit funktionieren«, bemerkte er. »Mit diesem neuen Gerät, das Sie erwähnt haben.« Er hatte nie zuvor davon gehört; offensichtlich war es eine Erfindung der Zukunft.
»Ich meine, es besteht doch noch immer Hoffnung?«
»Oh, ja, Doktor. Es besteht bestimmt Hoffnung.« Sie sagte es in einem solchen Tonfall, daß er den Eindruck hatte, es handele sich lediglich um eine philosophische Antwort; es besteht in jedem Fall Hoffnung, soweit es sie betraf. Also bedeutete ihre Versicherung so gut wie nichts.
»Danke.« Und dann bat er noch: »Sehen Sie doch bitte in Ihren Unterlagen nach, welchen Arbeitsplatz ich angegeben habe. Ich mußte kürzlich die Stellung wechseln, so daß der Vermerk inzwischen bereits überholt sein kann.«
Nach einer Pause informierte ihn die Krankentechnikerin: »Hier steht, daß Sie als Cheftransplantchirurg für die Kaiser-Stiftung in Oakland arbeiten.«
»Das ist richtig«, bestätigte Eric. Und legte auf.
Er besorgte sich die Nummer von der Auskunft und stellte eine Verbindung mit der Kaiser-Stiftung in Oakland her.
»Ich möchte Dr. Sweetscent sprechen.«
»Wer ist am Apparat, bitte?«
Einen Moment
Weitere Kostenlose Bücher