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Warte auf das letzte Jahr

Warte auf das letzte Jahr

Titel: Warte auf das letzte Jahr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip K. Dick
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Spezialitäten; die Tagmenschen von Tijuana zogen sich zusammen mit den wohlgenährten amerikanischen Touristen zurück, um Platz zu machen für die Nachtmenschen. Eilige Männer schoben sich an ihm vorbei; ein Mädchen in einem engen Rock und einer dünnen Bluse passierte seinen Weg und preßte sich kurz an ihn … als ob zwischen uns beiden eine dauerhafte Verbindung besteht, die unser ganzes Leben durchdringt, dachte er, und dieser kurze Hitzeaustausch durch die Berührung unserer Körper drückt das tiefstmögliche Verständnis zwischen uns beiden aus. Das Mädchen ging weiter und verschwand. Kleine kräftige Mexikaner, Jugendliche, die tief ausgeschnittene Pelzpullover trugen, gingen direkt auf ihn zu, und ihre Münder standen offen, als würden sie beständig nach Luft schnappen. Vorsichtshalber trat er zur Seite.
    In einer Stadt, wo alles erlaubt ist, dachte er, und nichts Bedeutung erlangt, wird man zurück in seine Kindheit versetzt. Umgeben von seinen Bauklötzen und Spielzeugen, wo sich das ganze Universum in Griffweite befindet. Der Preis dafür ist hoch: Er besteht aus dem Verlust des Erwachsenseins. Und trotzdem gefiel es ihm hier. Die Geräusche und Bewegungen repräsentierten das wahre Leben. Es gab Menschen, die dies alles für böse hielten; er dachte anders darüber. Die Menschen, die dieser Meinung waren, hatten unrecht. Die rastlosen, umherirrenden Männer, die auf der Suche nach Gott-weiß-was waren, nach etwas, das sie selbst nicht einmal benennen konnten: Ihre Anstrengungen waren wie die des ursprünglichen Protoplasmas selbst. Diese irritierend sinnlose Unrast hatte einst das Leben aus dem Meer ans Land getrieben; und jetzt, wo sie Kreaturen des Landes waren, streiften sie noch immer umher und bewegten sich ziellos durch die Straßen. Und er gehörte zu ihnen.
    Vor ihm befand sich ein Tätowiersalon, modern und rationell eingerichtet, beleuchtet von einer Wand aus glosender Energie, und in ihm arbeitete der Tätowierer mit seinen elektrischen Nadeln, die nicht die Haut berührten, sondern nur dicht über sie hinwegglitten. Wie wäre es damit, fragte sich Eric. Was könnte ich mir einbrennen lassen, welches Motto oder welches Bild würde mir in diesen ungewöhnlichen Zeiten der Bedrohung Trost spenden? In diesen Zeiten, wo wir darauf warten, daß die Stemmensehen erscheinen und alles übernehmen? Hilflos und ängstlich wie wir sind, werden wir alle unsere Männlichkeit verlieren.
    Er betrat den Tätowiersalon, nahm Platz und fragte: »Können Sie auf meiner Brust etwas wie …« Er zögerte. Der Tätowierer arbeitete an seinem Kunden weiter, einem kräftigen UNO-Soldaten, der blicklos vor sich hin starrte. »Ich möchte ein Bild«, entschied Eric.
    »Schauen Sie den Katalog an.« Er reichte Eric eine große Mappe; er schlug sie auf. Frauen mit vier Brüsten, und jede Brust gab einen ganzen Satz von sich. Nein, so etwas nicht; er blätterte weiter. Raketenschiffe, aus deren Heckdüsen Rauch quoll. Nein. Sie erinnerten ihn an sein 2056er Selbst, das er enttäuscht hatte. Ich bin für die Riegs, entschied er dann. Tätowiere mir diesen Spruch ein, damit ihn die Militärpolizei des Lilisterns entdeckt.
    Selbstmitleid, dachte er. Oder nicht? Nun, es spielte keine Rolle.
    »Nun, haben Sie sich entschieden?« fragte ihn der Tätowierer, der inzwischen mit dem anderen Kunden fertig war.
    »Ich möchte«, erklärte Eric, »daß Sie mir folgenden Satz auf die Brust schreiben: ›Kathy ist tot.‹ Klar? Wieviel wird das kosten?«
    »›Kathy ist tot‹«, wiederholte der Tätowierer. »Woran ist sie gestorben?«
    »Am Korsakow-Syndrom.«
    »Soll ich das ebenfalls schreiben? Kathy ist tot, gestorben an – wie wird das buchstabiert?« Der Tätowierer nahm Papier und Bleistift zur Hand. »Ich möchte es richtig machen.«
    »Gibt es hier in der Gegend Drogen zu kaufen?« fragte Eric. »Sie wissen schon, richtige Drogen.«
    »Auf der gegenüberliegenden Straßenseite in der Apotheke.«
    Er verließ den Tätowiersalon und überquerte die Straße. Die Apotheke machte einen altmodischen Eindruck, und im Schaufenster waren Schuheinlagen und Bandagen und Parfümfläschchen ausgestellt. Eric öffnete die Tür und trat an die Theke.
    »Ja, Sir?« Ein grauhaariger, respektabel und tüchtig wirkender Mann in einem weißen Kittel sah ihn abwartend an.
    »JJ-180«, erklärte Eric. Er legte einen Fünfzig-Dollar-Schein auf den Ladentisch. »Drei oder vier Kapseln.«
    »Das macht einhundert Dollar.« Rein geschäftlich,

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