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Was kostet die Welt

Titel: Was kostet die Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nagel
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Dutzend, nur dass die anderen elf längst fort sind.
    Last man standing, in gebückter Haltung auf der Parkbank eines Kinderspielplatzes.
    Fear and loathing im Moseltal.
    Leckt mich doch alle am Arsch.

    Â 
    Ich fummle ein zerknittertes Päckchen Benson & Hedges aus meiner Hemdtasche. Es sind noch fünf Zigaretten da. Das bedeutet, dass ich in den letzten sechsunddreißig Stunden fast drei Schachteln geraucht habe.
    Ich zünde mir eine an und muss würgen. Das Traurigste auf der Welt ist, wenn die Zigaretten nicht mehr schmecken.
    Ich inhaliere trotzdem. Es zieht in meinen Rippen.
    Es wird doch nichts gebrochen sein?
    Vielleicht auch nur ein Muskelkater. Ein Muskelkater vom Saufen und Rauchen. Das gibt’s wirklich. Glaube ich zumindest.
    Als ich mich gerade nach vorne beuge, um etwas Galle ins Gras zu spucken, fällt Lichtschein über meinen Kopf hinweg auf den Spielplatz. Jemand in dem Haus hinter mir hat das Licht in der Küche eingeschaltet. Fleißige Bürger, die auch am Sonntag vor Sonnenaufgang aufstehen. Sie haben noch nie ein Frühstück verpasst. Freuen sich wahrscheinlich schon richtig auf die Sonntagsmesse.
    Saubere Christenmenschen. Frühaufsteher. Keramikkatzenbesitzer. Ich ducke mich noch etwas tiefer hinter die Hecke.
    Â 
    Muss bald halb sechs sein. Hinter dem Hügel wird es langsam hell. Ich habe gestern früh zufällig im Trierischen Volksfreund gelesen, dass heute um 05:22 Uhr die Sonne aufgeht.
    Heute ist nämlich Sommeranfang .
    Ich krame in meiner Tasche nach meinem Handy.
    Tatsächlich, gleich halb sechs.
    Ich habe eine Kurzmitteilung erhalten. Von Verena, um 02:35 Uhr.

    Â»ist sonst nicht meine art einfach aufzulegen, aber ich bin grad auf einer party & du kannst nicht mehr sprechen. hab kein wort verstanden. kannst dich ja melden, wenn du wieder nüchtern bist.«
    Â 
    Ach du Scheiße, habe ich sie wirklich noch angerufen?
    Â 
    MENÜ.
ANRUFLISTEN.
GEWÄHLTE RUFNUMMERN.
VERENA MOBIL, 02:26.
    Â 
    Tatsache. Kann mich nicht mehr dran erinnern. Totaler Filmriss.
    Wie erbärmlich das ist. Ich habe mich tagelang nicht bei ihr gemeldet, weder ihre E-Mail noch ihre Anrufe beantwortet, und dann rufe ich sie mitten in der Nacht an, aus einem Kaff an der Mosel, nachdem ich mit der Freundin meines Gastgebers im Bett war, meinem Gastgeber davon erzählt habe, dann die Weinkönigin angebaggert und schließlich aufs Maul bekommen, ihr Geburtstagsgeschenk vollgeblutet und mir auf die Schuhe gekotzt habe.
    Da kann ich ja fast froh sein, dass sie mich nicht mehr verstanden hat.
    Ihre SMS ist allerdings eindeutig. Diese knappen Sätze, der angepisste Tonfall, absolut untypisch für Verena, und normalerweise setzt sie auch immer eine Begrüßung an den Anfang und ihren Namen ans Ende.
    Scheiße.

18
    Susi liegt vor ihrer Hundehütte und hebt den Kopf, als ich den Hof überquere, ist zum Glück aber zu alt oder zu faul oder zu uninteressiert, um zu bellen. Das Schlimmste wäre, wenn Judith oder Flo oder seine Eltern mich jetzt sehen würden. Leise stecke ich den Schlüssel ins Schloss, schleiche die Stufen hoch, schließe die Wohnungstür auf und lasse mich aufs Sofa fallen. In dem Birnbaum neben dem Balkon sitzen zwei Vögel und zwitschern gackernd, als wollten sie sich über mich lustig machen.
    Ein wunderschöner Tag bricht an. Je schöner er wird, desto elender werde ich mich fühlen. Jetzt ins Bett zu gehen, ein paar Stunden zu schlafen und gegen Mittag verkatert aufzuwachen, früher oder später Flo oder Judith oder beide zu treffen, mit ihnen reden zu müssen, oder, noch schlimmer, so zu tun, als wäre nichts gewesen - diese Vorstellung bereitet mir so irre schwere Schultern, dass ich von einer Sekunde auf die andere ganz genau weiß, was zu tun ist.
    Ich schütte den Inhalt meines Portemonnaies auf dem Esstisch aus. 582 Euro und 36 Cent.
    Ich habe die Ferienwohnung für fünf Übernachtungen gemietet, bis einschließlich morgen früh. Vierunddreißig Euro pro Tag, plus zwanzig für die Endreinigung, das macht hundertneunzig.
    Ich lege zweihundert Euro auf den Tisch und greife mir
das Telefonbuch. Der Ort Renderich nimmt genau sechseinhalb Seiten ein.
    Â 
    Â»Mersch«, sagt eine verschlafene Stimme.
    Â»Guten Morgen, Birnbaum mein Name«, sage ich.
    Â»Wer ist da?«
    Â»Birnbaum.«
    Â»Wissen Sie eigentlich, wie spät es ist, Herr Birnbaum?«
    Â»Ich

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