Was macht mein Kind im Netz
gemacht hat, hat er schließlich nicht gleich seine Persönlichkeitsrechte aufgegeben.
Das Internet sollte nicht für Selbstjustiz missbraucht werden
Wer im Internet Täter wird und identifizierbar ist, weckt in so manchem Opfer die Lust, den Spieß einfach mal umzudrehen. Ariane Friedrich hat das so gemacht und damit nicht nur eine rechtliche, sondern auch eine gesellschaftliche Diskussion ausgelöst: Die Hochspringerin hatte eine E-Mail mit obszönen Inhalten von einem mutmaßlichen Stalker erhalten und diese nicht nur bei Facebook veröffentlicht, sondern auch noch den vollen Namen und Wohnort des Absenders genannt. Sie traf damit keinen Unschuldigen, denn der Mann hatte die Beleidigung nebst „Verbreitung pornografischer Schriften“ gegen den Willen der Empfängerin ja tatsächlich begangen.
Trotzdem wurde auch gegen Ariane Friedrich ein Ermittlungsverfahren eingeleitet, weil sie eben die Persönlichkeitsrechte des Täters durch diese öffentliche Anprangerung verletzt habe. Wie auch immer die Sache letztendlich juristisch ausgeht, für uns alle und auch für unsere Kinder sollte klar sein, dass wir das Internet nicht als sozialen Pranger für echte oder vermeintliche Verfehlungen anderer nutzen sollten.
Wir haben das Glück, in einem Rechtsstaat zu leben. Wir müssen unsere Rechte nicht auf eigene Faust wahren und diejenigen nicht selbst bestrafen, die uns Unrecht tun, sondern können dazu auf die Polizei, Anwälte und Staatsanwaltschaft setzen. Vielleicht sind wir dann manchmal nicht einverstanden mit den Ergebnissen der rechtsstaatlichen Ermittlungen und Handlungen, etwa wenn wir ein Urteil gegen einen Täter zu milde finden. Dafür können wir aber darauf vertrauen, dass niemand, auch nicht Sie oder ich oder eines unserer Kinder, willkürlich verfolgt und bestraft wird, sondern dass für alle dieselben Regeln gelten.
Allzu leicht könnte die Selbstjustiz zudem den Falschen treffen. So wäre es im Fall Friedrich ja auch denkbar gewesen, dass der von ihr angeprangerte Stalker in Wirklichkeit Opfer eines Identitätsdiebstahls geworden war und jemand anders unter seinem Namen gehandelt hatte. Oder denken Sie an den Mordfall Lena, der im Frühling 2012 für Schlagzeilen sorgte:
Eine Elfjährige war in einem Parkhaus ermordet und kurz darauf ein 17-Jähriger als Tatverdächtiger verhaftet worden. Die öffentliche Empörung war groß, und prompt rief ein besonders Empörter über Facebook dazu auf, die Polizeiwache zu stürmen und den 17-Jährigen zu lynchen. Tatsächlich versammelten sich rund 50 Leute vor der Polizeiwache, zu deren Erstürmung es glücklicherweise nicht kam. Der beinahe Gelynchte war dabei völlig unschuldig, wie sich ein paar Tage später herausstellte.
Das sind schon wegen der enormen Öffentlichkeitswirkung Extrembeispiele. Aber auch im kleinen persönlichen Kreis sollte das Internet nicht dazu dienen, andere bloßzustellen, nicht einmal dann, wenn die intimen Details, die man dazu an die Öffentlichkeit zerrt, wahr sind.
Warum, das illustriert ein Vorfall, der sich an der Schule einer benachbarten Kleinstadt zugetragen hat: Eines Tages fand sich auf dem – öffentlich sichtbaren – Facebook-Profil eines Schülers das Foto der Schultafel aus seinem Klassenzimmer, auf die er mit Kreide eine Botschaft an eine Lehrerin geschrieben hatte: „Frau (der Name der Lehrerin war gut und vollständig lesbar), wir würden Sie bitten, ein Deo zu benutzen, weil Sie nicht gut riechen.“
Ich weiß nicht, ob die Lehrerin tatsächlich schlecht riecht und ob es eine Vorgeschichte dazu gab, aber die persönliche Geruchsentwicklung eines Menschen ist kein Thema, das die paar Hundert Facebook-Freunde eines Schülers und deren Tausende von Freunden angeht. Wenn der Schüler mal fettige Haare, einen dicken Pickel auf der Nase oder eine fleckige Unterhose hat, geht das die Online-Gemeinde auch nichts an. Dann wird der Junge zweifellos froh sein, wenn andere das auch so sehen und seine Unvollkommenheiten nicht virtuell dokumentieren und tausendfach verbreiten. Darüber sollten Sie mit Ihrem Kind sprechen.
Cyber-Grooms lieben Kinderforen
Sexuelle Belästigung von Kindern und Jugendlichen kommt in Chatforen und Sozialen Netzwerken täglich tausendfach vor, wobei die Altersgruppe der Zehn- bis 15-Jährigen am stärksten betroffen ist. Erstens, weil jüngere Kinder meist noch nicht unbeaufsichtigt im Internet unterwegs sind, zweitens, weil Kinder in diesem Alter noch vergleichsweise arglos und gleichzeitig
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