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Was mit Rose geschah

Was mit Rose geschah

Titel: Was mit Rose geschah Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stef Penney
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obwohl ich eigentlich nicht gewalttätig bin. Großvater war früher Boxer und hat ohne Handschuhe gekämpft, vielleicht hat sich das vererbt.
    Von der Predigt habe ich kein Wort mitbekommen, weil ich ständig Angst hatte, jemand könnte mir in den Nacken spucken. Hat aber keiner gemacht.
    Jedenfalls ist die Religion wichtig, weil ich deswegen jetzt bin, wo ich bin – das heißt, auf der Fähre nach Frankreich. Ich bin ganz schön aufgeregt, weil ich noch nie im Ausland war, dabei bin ich schon vierzehn. Wir bringen Christo nach Lourdes, weil er dort vielleicht geheilt wird, genau wie Ivo. »Wir« heißt alle außer Mama und Großvater, was ein bisschen ungerecht ist, aber jemand muss ja zu Hause bleiben und sich um den Stellplatz kümmern. Es ist ein guter Platz, und sie müssen dafür sorgen, dass niemand ihn uns wegnimmt, während wir unterwegs sind. Großmutter ist hier, weil sie diejenige ist, die unbedingt fahren wollte. Sie hat uns mehr oder weniger gezwungen. Großonkel ist hier, weil er im Rollstuhl sitzt und das tut, was er will. Ich bin dabei, weil ich in der Schule Französisch lerne und dolmetschen kann. Niemand sonst spricht ein Wort Französisch, also bin ich lebenswichtig. Ich bin froh, weil ich echt gern mitkommen wollte. Und dann sind da noch Ivo und natürlich Christo, der ja der Grund für die ganze Sache ist.
    Ich sagte schon, dass Christo die Familienkrankheit hat, oder?Ich kann nicht erklären, was es ist, weil das keiner weiß. Er war schon bei Ärzten, aber sie waren sich auch nicht sicher und konnten ihn deswegen nicht heilen. Ich glaube, Ärzte taugen nicht viel, wenn sie einem kleinen Kind wie Christo nicht helfen können. Meistens hat er keine Schmerzen, er ist aber sehr klein für sein Alter und schwach und hat erst vor einem Jahr laufen gelernt – er wird schnell müde und kommt nicht weit, also liegt er meistens nur da. Er redet auch nicht. Das ist die Krankheit: als wäre er so müde, dass er gar nichts tun kann. Er keucht oft, weil er nicht richtig atmen kann. Und er bekommt viele Infektionen, so dass wir ihn von anderen Kindern fernhalten müssen. Immer muss alles ganz sauber sein. Wenn er eine Erkältung oder so was bekommt, wird es richtig schlimm. Seine Knochen brechen auch sehr schnell – letztes Jahr hat er sich den Arm gebrochen, nur weil er sich die Hand am Tisch gestoßen hatte. Ivo war früher genauso – als er so alt war wie Christo, brach ihm jemand das Handgelenk, nur weil er ihm die Hand geschüttelt hat. Trotz allem beklagt sich Christo nie. Er ist unglaublich tapfer. Einerseits ist es gut, dass er so klein und leicht ist, denn Onkel Ivo muss ihn überallhin tragen. Manchmal trage ich ihn auch – er wiegt kaum mehr als eine Feder. Wir verstehen uns supergut. Für Christo würde ich alles tun. Er ist wie mein kleiner Bruder, obwohl wir in Wirklichkeit Cousins zweiten Grades sind. Oder dritten? Ich kann mir das nie merken. Ist auch egal.
    Jedenfalls hoffe ich, dass es funktioniert. Ivo spricht nicht gern über das, was ihm passiert ist, aber ich weiß, dass er als Kind immer krank war – wenn auch nicht so krank wie Christo. Nach seiner Reise nach Lourdes wurde er langsam gesund. Es kann natürlich Zufall gewesen sein, vielleicht aber auch nicht. Außerdem kann es nicht schaden, oder? Seit wir uns zu dieser Reise entschlossen haben, habe ich versucht, an Gott zu glauben, damit meine Gebete auch was bewirken. Ich bin mir nicht sicher, ob ich glaube, aber ich gebe mir wirklich Mühe; ich hoffe, das ist auch was wert. Und wenn Gott kein Mitleid mitChristo hat, der so lieb und tapfer ist und niemandem was getan hat, dann halte ich sowieso nicht viel von ihm.
    Während der ersten Hälfte der Überfahrt schaue ich aus dem Fenster. Der Hafen von Newhaven wird immer kleiner. Die Überfahrt nach Dieppe dauert ewig, aber so müssen wir nicht so weit auf der Straße fahren. Zum ersten Mal sehe ich England von außen. Es sieht nicht so toll aus, ehrlich gesagt. Ziemlich flach und grau. Als die Küste verschwindet und ich mir eine Weile das schmutzig aussehende Kielwasser im dunkelgrauen Meer angeschaut habe, gehe ich nach vorn und warte auf den ersten Anblick eines fremden Landes. Es fängt an zu regnen. Seltsam: Ich hätte nie gedacht, dass es auch über dem Meer regnet. Eigentlich ist es normal. »Il pleut«, sage ich zu mir. »Il pleut sur la mer. Nous allons à Lourdes, pour chercher un miracle.«
    Es ist wichtig, dass man sagen kann, was man tut, selbst wenn keiner außer

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