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Was uns nicht gehört - Roman

Was uns nicht gehört - Roman

Titel: Was uns nicht gehört - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nagel , Kimche AG <Zürich>
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später aß ich an einem Imbissstand eine Wurst. Die Pelle war vom langen Liegen am Rand bereits ganz pergamenten, und ich überlegte kurz, die Wurst zu reklamieren, ließ es dann aber doch bleiben. Vielleicht gehörte die Pergamentpelle ja irgendwie dazu, war vielleicht sogar die eigentliche Spezialität der Wurst und ich wieder einmal der Einzige, der das nicht wusste. Die meisten am Imbiss freilich aßen etwas anderes. Pommes, Schaschlik oder Frikadellen. Ja, Frikadellen, jetzt sah ich es, die meisten ringsherum aßen Frikadellen. Augenblicke später entdeckte ich das dazugehörige Schild, eine Kreidetafel, die unterhalb der Theke gegen den Imbisswagen lehnte. «Heute frisch: Frikadellen» stand dort in schönster Schreibschrift, dahinter, ein wenig verwischt, ein Ausrufezeichen. Ich nahm meine Wurst und ging.
    Erst am Nachmittag machte ich mich auf den Weg zum Pflegeheim, aber auf halber Strecke entschied ich mich anders und bog ab zum Krankenhaus. Kremer war nicht mehr auf der Intensivstation, trotzdem wurde ich von der Stationsschwester ermahnt, nicht zu lange zu bleiben, eine Vorsicht, die mir bei seinem Anblick reichlich absurd erschien. Kremer lag nicht grau und ausgemergelt auf dem Bett, wie ich mir das vorgestellt hatte. Stattdessen saß er in Freizeitkleidung bei Kaffee und Kuchen an einem kleinen Tisch am Fenster und sah besser aus, als ich ihn in Erinnerung hatte.
    «Mensch, Epkes», rief er mir zu, «dass Sie mich besuchen!»
    Ich löste mich von der Tür und ging auf ihn zu. «Nur kurz», erwiderte ich, «ich war gerade in der Nähe.»
    Kremer bat mich, an seinem Tisch Platz zu nehmen, und bot mir den Rest seines Apfelkuchens an.
    «Nicht gerade Konditorklasse», sagte er, «aber genießbar.»
    Ich fühlte mich Kremer gegenüber zu keiner Höflichkeit verpflichtet, nicht mehr, dennoch griff ich zu.
    Kremer nickte zufrieden. «So ist’s fein», sagte er, und für einen Moment fragte ich mich, warum ich überhaupt hergekommen war. Vielleicht meiner Abfindung wegen, aber schon jetzt war ich mir sicher, dass ich Kremer nicht darauf ansprechen würde.
    «Sie sind über den Berg?», fragte ich.
    Kremer lachte. «Mehr als das, ich bin wieder im Tal, flaches Land, nur noch flaches Land.»
    Er machte eine wischende Geste mit seiner linken Hand, die ich nicht verstand, und verschränkte die Arme hinter seinem Kopf. Aus seiner Armbeuge wucherte ein riesiges Hämatom, das bereits begonnen hatte, sich ins Grünliche zu verfärben, das einzige sichtbare Merkmal, das ihn in die Nähe einer Krankheit zu rücken vermochte.
    Kremer lachte erneut. «So, Epkes», sagte er, «und jetzt Sie!»
    Ich hatte keine Ahnung, was der ganze Unsinn sollte, aber so aufgedreht, wie Kremer war, musste er unter irgendwelchen Drogen stehen. Nichts an ihm erinnerte an den Mann, der noch vor Wochen vor mir in seinem Büro gesessen und um Entlassungsworte gerungen hatte. Und noch weniger erinnerte irgendetwas an ihm an einen Herzinfarktpatienten, der gerade seine Firma verloren hatte.
    Es klopfte. Eine dünne Krankenschwester stakste ins Zimmer und wickelte eine Blutdruckmanschette um Kremers Arm. Sie pumpte auf und folgte dem Zeiger des Manometers mit ernstem Blick.
    «Passen Sie auf, Epkes», flüsterte Kremer mir zu, «passen Sie auf!»
    Augenblicke später ließ die Schwester die Restluft ab und notierte ihre Messung in eine Krankenkladde, die sie auf dem Fensterbrett ausgebreitet hatte.
    «120/70», sagte sie, «alles in Ordnung.»
    Kremer klatschte kurz in die Hände und sah mich triumphierend an. «Was sage ich», sagte er, «noch drei Tage, und ich bin hier raus.»
    Die Krankenschwester klappte die Kladde zu und verstaute das Blutdruckgerät in ihrer Kitteltasche, dann ging sie zur Tür und verließ das Zimmer.
    «Schwester Linda», sagte Kremer, «ich mag sie.»
    Er stand auf und schaute aus dem Fenster. Das Geräusch eines Hubschraubers näherte sich und entfernte sich wieder, ohne dass irgendetwas von ihm zu sehen war. Der Himmel über der Stadt war noch immer makellos, aber von Westen her drohten erste Wolkentürme, die sich, glaubte man dem Wetterbericht, zum Abend hin in unwetterartigen Regengüssen entladen würden. Kremer stütze sich, die Arme durchgestreckt, aufs Fensterbrett und wippte dabei sachte vor und zurück, wie er es auch früher bisweilen im Büro getan hatte, wenn ein gutes Geschäft in Aussicht stand oder wenn ein neues Kartonmodell in Produktion ging. Er lächelte gegen die Scheibe, ein Lächeln, das mich an

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