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Was uns nicht gehört - Roman

Was uns nicht gehört - Roman

Titel: Was uns nicht gehört - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nagel , Kimche AG <Zürich>
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I Mein Leben hatte ein paar Schrammen abbekommen. Nichts Arges, aber doch genug, um mich ein wenig aus dem Tritt zu bringen. Sonja sagte, sie habe das alles kommen sehen, aber das sagte sie immer, wenn etwas Unvorhergesehenes passierte. «Siehst du», sagte sie dann, «was habe ich dir gesagt», und wenn ich sie darauf hinwies, dass sie nichts dergleichen je auch nur erwähnt habe, winkte sie ab und sagte: «Ach, du wieder.» Das waren unsere Gespräche.
    Ihre Trennung von mir hatte Sonja hingegen in der Tat angekündigt. Siebeneinhalb Jahre, hatte sie gesagt, seien genug, aber da ihr schon sechs und fünfeinhalb zu viel gewesen waren, hatte ich sie nicht weiter ernst genommen. So wenig wie die Trennung selbst in der Woche darauf. Sie kramte ihre Sachen zusammen, die sich in meiner Wohnung angesammelt hatten, und küsste mich zum Abschied auf den Mund. «Nicht traurig sein», sagte sie, «let’s keep in touch», und ich wusste nicht, worüber ich mich mehr ärgerte, über ihre Anweisung meinen Gefühlshaushalt betreffend oder die alberne englische Phrase.
    Wir sahen uns zwei Wochen nicht, dann schliefen wir wieder miteinander. Sonja sagte, das habe nichts zu bedeuten, schon gar nicht, dass wir jetzt wieder zusammen seien. Was ich darüber dächte, sei natürlich mir überlassen, wie im Übrigen auch alles andere. Insbesondere, ob ich weiter mit ihr Sex haben wolle, nicht jeder könne das eine vom anderen trennen. Sie freilich schon, das habe sie jetzt, da unsere Liebe vorüber sei, zum ersten Mal gemerkt. Ich ließ Sonja eine Weile reden, dann wandte ich mich wortlos ab und ging ins Badezimmer. Ich ließ mir ein Bad ein und blieb in der Wanne, bis ich im lauwarmen Wasser bereits zu frösteln begann. Draußen hörte ich die Wohnungstür, ein wenig lauter als nötig, aber letztlich war ich Sonja dankbar, dass sie den Abend auf ihre Weise beendete.
    Am nächsten Morgen beorderte mich mein Chef in sein Büro. Er bat mich, Platz zu nehmen, und ließ uns Kaffee bringen. Bernd Kremer war der einzige verbliebene Eigentümer von Walter & Kremer, die einmal eine Nummer im Geschäft mit Kartonagen gewesen waren. Seit einiger Zeit allerdings gingen die Absätze rapide zurück, wofür niemand eine wirkliche Erklärung fand. Am wenigsten Kremer, der von seinen Kartons überzeugt war wie am ersten Tag.
    «Das ist immer noch Qualität», hatte ich ihn erst jüngst auf dem Flur zu Loos, dem Leiter der Werksicherheit, sagen hören, «stellen Sie mir zehn in eine Reihe, und ich finde Ihnen mit verbundenen Augen den einen von uns heraus.»
    Dazu hatte er sich den Zeigefinger geleckt und ihn in die Luft gehalten, eine Geste, die ich nicht verstand.
    Loos nahm mich am Mittag in der Kantine beiseite und raunte mir zu, Kremer werde langsam komisch. «Wenn du mich fragst», flüsterte er, «ist er das Problem.»
    Ich streckte meinen Zeigefinger in die Luft und sagte: «Zehn in einer Reihe», und kam mir schon im selben Moment schäbig vor. Loos freilich lachte, als hätte ich den Witz des Jahres gerissen, und ich glaubte mich zu erinnern, dass ich ihn noch nie hatte leiden können.
    Ich hatte vor sieben Jahren bei Walter & Kremer in der Buchhaltung angefangen und saß dort noch immer. Kremer selbst hatte mich seinerzeit eingestellt. In einem umständlichen Gespräch hatte er mir die Strukturen der Firma erklärt, von denen ich nur soviel verstand, dass das Verhältnis zu den Brüdern Walter nicht eben ungetrübt war. Kurz darauf waren sie ihre eigenen Wege gegangen, und wie es aussah, hatten sie dabei keinen schlechten Schnitt gemacht. Sie hatten im Osten der Stadt eine neue Firma aufgebaut, die sich auf Kleinstkartonagen spezialisiert hatte, und nach allem, was man hörte, liefen ihre Geschäfte prächtig.
    Kremer war ein weicher Mann, dem Entscheidungen schwerfielen, vielleicht mochte ich ihn deswegen. Angetrunken hatte er mir auf einem Betriebsfest anvertraut, dass er bisweilen schon beim Anblick des Fernsehprogramms verzweifle, im Supermarkt sowieso, manchmal, hatte er mit leiser Stimme gesagt, gehe er einfach ohne Einkäufe wieder hinaus.
    «Wie ich», erwiderte ich, «genau wie ich», dabei war ich noch nie ohne Einkäufe aus einem Supermarkt gegangen, aber einem plötzlichen Impuls folgend, wollte ich Kremer etwas Gutes tun.
    Er sah mich lange an. Ein wenig verwundert, ein wenig aber auch wie einen alten Freund.
    «Ach, Epkes», sagte er schließlich und klopfte mir zum wiederholten Mal an diesem Abend auf die Schulter, «wir sind

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