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Was wir sind und was wir sein könnten: Ein neurobiologischer Mutmacher (German Edition)

Was wir sind und was wir sein könnten: Ein neurobiologischer Mutmacher (German Edition)

Titel: Was wir sind und was wir sein könnten: Ein neurobiologischer Mutmacher (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerald Hüther
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nach seinen Vorstellungen bilden, erziehen, einsetzen. Das hat mit Ermutigung und Inspiration zu eigener Potentialentfaltung nichts zu tun. Viele Eltern, Erzieher und Führungskräfte haben leider noch das aus dem vorigen Jahrhundert stammende Welt- und Menschenbild im Kopf: das einer auf maximale Ressourcenausnutzung orientierten Gesellschaft. Da muss man Dressurmethoden einsetzen, Konkurrenz schüren, Fachidioten ausbilden, Abhängigkeiten erzeugen und klare Hierarchien und Karriereleitern aufbauen. Da muss man ständig neue Maßnahmen, Regeln und Kontrollverfahren einsetzen und möglichst viel Druck erzeugen, damit man den Wettkampf um die noch verfügbaren Ressourcen gewinnt. Kurzfristig mag das auch heute noch gelegentlich funktionieren, aber langfristig führt dieses alte Muster in Sackgassen.
    Doch unser Gehirn, auch das von Lehrern und Führungskräften, kann sich verändern. Allerdings nur dann, wenn es anders als bisher genutzt wird. Was müsste passieren, damit Menschen ihre Gedanken auf ganz neue Wege schicken und neue Vorstellungen über das, worauf es im Leben ankommt, entwickeln können? Auch diese Frage ist inzwischen mit Hilfe der neuen Erkenntnisse der Hirnforscher recht leicht beantwortbar, wenngleich diese Erkenntnisse im Grunde nur das bestätigen, was wir alle längst wissen: Es muss etwas passieren, d.h. eine Person muss etwas erleben oder erfahren, was »unter die Haut geht«. Es darf nicht so stark sein, dass sie gleich in Angst und Panik gerät. Es sollte als Gefühl vielleicht noch nicht einmal so eindringlich sein, dass es sie betroffen macht, sie also unter Umständen gar beschämt. Es müsste etwas sein, was sie im Innersten berührt oder anrührt. Und anrühren kann einen Menschen nur etwas, was eine alte Sehnsucht in ihm wiedererweckt, was etwas in ihm wachruft oder an etwas in ihm anknüpft, das ihm abhanden gekommen oder was in seinem Hirn durch später gemachte Erfahrungen überlagert und damit verschüttet worden ist.
    Damit ein Mensch in die Lage versetzt wird und den Mut findet, seine im Lauf des Lebens angeeigneten, sowohl individuell als auch kollektiv erfolgsgebahnten Ideen und Vorstellungen loszulassen, müsste er also die Gelegenheit geboten bekommen, etwas wiederzufinden, was er verloren hat: seine Fähigkeit, die Welt wieder mit den Augen des Kindes zu betrachten, das er ja selbst einmal war – so offen, so vorurteilsfrei und so neugierig, wie das noch immer als frühe Erfahrung in den damals herausgeformten und inzwischen »nach unten abgesackten« und von anderen Erfahrungen überlagerten Schichten seines Gehirns verankert – und deshalb auch jederzeit wieder reaktivierbar – ist.
    Wir müssten also einander mehr Mut machen, uns gegenseitig besser unterstützen und die Bemühungen anderer häufiger mit Anerkennung würdigen, um genau das zur Entfaltung zu bringen, was wir in der heutigen Zeit mehr als alles andere brauchen: Verständnis für Menschen aus anderen Kulturen und Kreativität bei der Suche nach gemeinsamen Lösungen. Zusammenarbeit bei der Umsetzung guter Ideen. Auch Durchhaltevermögen und Zuversicht. Und etwas mehr Umsicht und Geduld, weil nicht alles, was endlich in Gang gesetzt wird, auch sofort zu sichtbaren Effekten führt.
    Wer sich also weiterentwickeln will, müsste in Beziehungen denken und in Beziehungsfähigkeit investieren. Das ist das Geheimnis der Kunst des miteinander und aneinander Wachsens. Erreichen lässt sich dieses Kunststück aber nur durch die Wertschätzung des jeweils anderen als einzigartige Persönlichkeit, als Quelle von Wissen und Erfahrungen sowie durch die Einführung einer Lern- und Fehlerkultur im gelebten Miteinander, einer Kultur, in der Fehler als Lernchancen begriffen werden und in der Menschen dazu ermutigt werden, die in ihren jeweiligen Lebenswelten gemachten Erfahrungen auszutauschen und auf diese Weise gemeinsam über sich hinauszuwachsen.
    Wir könnten gelassener und kreativer sein
    Kreative Menschen wissen oft gar nicht genau, woher sie ihre Inspirationen nehmen und wie sie zu ihren genialen Einfällen kommen. Manchmal scheint es so, als seien ihre Ideen oder ihre Leistungen »gänzlich aus dem Bauch« gekommen oder vom »tiefsten Grund des Herzens« geschöpft. Am schöpferischsten sind wir sonderbarerweise unter Bedingungen, die nach landläufiger Meinung überhaupt nicht geeignet sind, hirntechnische Hochleistungen zu erbringen: träumend oder noch halb schlafend, beim Spazierengehen oder unter der Dusche.

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