Watermind
schwarze geronnene Masse wirkte so reglos und unschädlich, wie er das Kolloid immer wieder gegenüber den Medien beschrieben hatte. Mit gerunzelter Stirn musterte er die gescheckte Oberfläche. Er würde sie untersuchen lassen, ja, aber er wusste bereits, was sich in diesem Teer verklumpt hatte – all die Tonnen teurer Fracht, die das Kolloid aus den Flussschiffen geraubt hatte.
Er beschirmte die Augen und zählte noch einmal die Boote, die sich vor der schwarzen Fläche versammelten. Die Mississippi River Commission, die Umweltschutzbehörde, die Miliz von Louisiana. Ein Ölskimmer, der der Refuerzo ähnelte, legte bereits eine Sperre im Wasser aus. Wie es aussah, lief diese Sache auf eine routinemäßige Aufräumaktion hinaus. Er überlegte, ob die Rohstoffe im Teer zurückgewonnen werden konnten. Morgen war Montag. Er würde einen anderen Banker finden und sich ein neues Darlehen sichern. Die Anglos mochten versuchen, ihn in den Bankrott zu treiben, aber er würde sich wieder erholen.
Reilly trat auf den verfestigten Teer, und Max folgte ihr in einigen Schritten Abstand. Unter ihrem Gewicht sank die Masse ein wie eine Luftmatratze. Als Roman sie sah, hätte er CJ Reilly am liebsten übers Knie gelegt und ihr den Hintern versohlt. Max borgte ihr sein Taschenmesser, und Roman beobachtete, wie sie ein paar schwarze Krümel in die rosafarbene Schachtel kratzte.
»Es ist nicht tot«, wiederholte Roman, obwohl all seine Sinne ihm sagten, dass die gewaltige Masse ein Kadaver war. Das, was vom Kolloid übriggeblieben war. »Reilly, nehmen Sie diesmal brauchbare Proben. Vaarveen soll Ihnen helfen. Ich will, dass das Zeug gründlich untersucht wird.«
Sie nickte.
»Sie sind jetzt der Teamleiter«, sagte er.
Sie zuckte mit den Schultern.
Er sah, wie sie auf der schaukelnden Fläche wankte. Schlamm klebte in ihrem roten Haar. Eine Beule auf ihrer Stirn nahm allmählich eine grünliche Schattierung an, lilafarbene Flecken übersäten ihre Schenkel, und ihre Waden leuchteten in verbranntem Rosa. Sie sah schlimm aus. Halb rechnete er damit, dass sie durch den Teer sackte, aber welchen Zweck hätte es, ihr zu sagen, dass sie vorsichtig sein sollte? Max Pottevents war bei ihr.
Roman richtete sich auf und schaute blinzelnd über die mattschwarze Fläche. Mit einem anmutigen Sprung landete er auf der Masse. Sie war keineswegs völlig fest, sondern gab wie ein Trampolin unter seinen Füßen nach. Aber er wahrte das Gleichgewicht. Er warf Max die Schlüssel des Pritschenwagens zu, und ohne ein weiteres Wort marschierte er quer über den See los, auf die Anglo -Bürokraten zu.
Epilog
Sonntag, 20. März, 15.55 Uhr
Beinahe unmerklich trieb die Teermasse vom Ufer fort und hinterließ einen meterbreiten Spalt aus freiem Seewasser. Wo der Überlaufkanal aus dem Sumpf kam, mischte sich braune Flussbouillon mit der Kraftbrühe aus dem Golf. Hier floss der ganze Dreck zusammen, dachte CJ. Sie saß mit untergeschlagenen Beinen an der Kante des treibenden Teers. Sie konnte die Chemikalien, die im See fermentierten, beinahe schmecken. Es war die gleiche Duftmischung wie im Devil's Swamp.
In genau diesem Moment unter der heißen Sonne von Louisiana war sie fest davon überzeugt, dass die aktiven Bestandteile des Kolloids erneut ausreiften. In fruchtbaren Tümpeln und Schlammlöchern entlang des südlichen Mississippi sonderten uralte Algen dicke unförmige Massen aus Proplastid ab, und befruchtetes Wasser regte sich im Rhythmus von Klingeltönen. Die Frühlingsfluten schafften neue Mikroelektronik heran. Nano-Maschinen, manipulierte Bakterien, Quantenspeicherelemente. Billige Technik, die schnell wieder weggeworfen wurde – jeden Tag Tausende von Tonnen. Wer konnte sich vorstellen, dass das alles überhaupt kein Problem war?
»Du wirst wiederkommen«, flüsterte sie.
Max beugte sich herab und warf einen flachen Kieselstein über den freien See. Sein Geschick ließ den Stein sechsmal hüpfen, bevor er versank. Dann richtete er sich wieder auf und rückte den Verband an seiner Hand zurecht.
CJ beobachtete seine Silhouette, die sich kräftig und dunkel vor dem blauen Himmel abzeichnete. Es gab so vieles, das sie ihm sagen musste. Das Gespräch konnte sehr schwierig werden, aber vielleicht war es auch ganz einfach. Sie schämte sich für ihre verworrenen Gedanken. Sollte sie mit einem Geständnis anfangen, mit einer Entschuldigung, mit Dankbarkeit? So viel hing davon ab, die richtigen Worte zu finden. Aber genauso gut konnte es
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