Weatherly , L.A. - Dämonen des Lichts
große Augen, als ich das Foto erkannte, das zu Hause auf dem Bücherregal in Tante Jos Esszimmer gestanden hatte – ich und der Weidenbaum.
Langsam streckte ich die Hand danach aus. Es schnürte mir die Kehle zu, als ich daran dachte, wann Mom es aufgenommen hatte – in einem dieser kurzen wunderschönen Momente, in denen sie tatsächlich vollkommen klar gewesen war. Siehst du die Weide da, Willow? Das bist du. Willow, Weide, das ist dein Name. Ich fuhr mit dem Finger über das Glas. »Aber … woher hast du …«
»Ich habe es aus eurem Haus mitgenommen«, gab er zu. Er schmiss sich auf sein Bett, lehnte sich in seine Kissen zurück, ein Bein ausgestreckt, das andere angewinkelt.
Ich umklammerte mit beiden Händen das Foto, wie um es zu beschützen, und starrte ihn ungläubig an. »Du hast es gestohlen} Warum denn das?«
Er zuckte mit den Schultern, während er zum Fernseher hinaufsah und den Unterarm auf sein Knie legte. »Engel haben keine Kindheit. Als ich das gesehen habe, war ich mir endgültig sicher, dass du kein Engel bist. Also habe ich es mitgenommen. Ich dachte, ich könnte es vielleicht noch mal brauchen.« Eine Sekunde lang ruhten seine blaugrauen Augen auf mir. »Sorry.«
Ich wollte noch etwas sagen, unterbrach mich aber und betrachtete erneut das Foto. »Nein, ich … ich bin echt froh, dass ich es habe«, bekannte ich. Ich streichelte den Rahmen und stellte ihn behutsam auf meinen Nachttisch. Plötzlich kam mir ein Gedanke. »Wie bist du überhaupt ins Haus gekommen?«
Er grinste ein bisschen. »Durch die Hintertür. Deine Tante sollte sich mal ein anständiges Sicherheitsschloss anschaffen, ihres ist ziemlicher Schrott.«
Ich seufzte und ließ den Kopf auf meine Kissen sinken. »Ja, ich wünschte, ich könnte es ihr ausrichten.«
Für einen Moment war nur der Fernseher zu hören. Es lief gerade eine dieser schwachsinnigen Gerichtsserien, in der sich irgendwelche Leute vor einem Richter gegenseitig anschreien. Alex räusperte sich. »Willow …« Er hielt inne und ich warf ihm einen Blick zu. Verlegen trommelte er mit den Fingern auf sein Knie. »Ich, ahm … ich weiß, dass das alles ziemlich hart für dich sein muss. Also, dass du deine Familie zurücklassen musst … und so.«
Oh nein, untersteh dich, nett zu mir zu sein. Dann heul ich sofort los. Ich hob die Schultern, umklammerte die Kissen und starrte eisern auf den Fernseher. »Tja, ist echt nicht meine Woche. Sogar als ich die Windpocken hatte, habe ich mich besser amüsiert.«
Er stieß ein kurzes Lachen aus. Das Geräusch überraschte mich, doch dann wurde mir bewusst, dass ich ihn eben noch nie lachen gehört hatte. Aber ich selbst hatte ja schließlich auch nicht gerade viel gelacht. Eine Weile sahen wir uns schweigend die Gerichtsserie an. Eine Frau beschuldigte ihren Hundefriseur, ihren Hund mit einem hässlichen Haarschnitt verunstaltet zu haben, und verlangte mehrere Hundert Dollar Schmerzensgeld. Der Hund sah aus, als wäre ihm das eine wie das andere schnurzpiepegal.
»Wann hast du eigentlich zum ersten Mal gemerkt, dass du hellsehen kannst?«, fragte Alex plötzlich. Er blickte immer noch auf den Fernseher. Als ich nicht antwortete, drehte er den Kopf zu mir. Seine dunklen Haare waren strubbelig und immer noch ein wenig feucht vom Duschen.
Ich spürte, wie ich mich verkrampfte. Normalerweise war es mir nicht peinlich, dass ich hellsehen konnte, aber ich wusste genau, was es für ihn bedeutete. Deshalb war ich auch so hin- und hergerissen gewesen, bevor ich der Kellnerin im Diner direkt vor seiner Nase die Zukunft vorhergesagt hatte.
»Warum?«, fragte ich.
»Nur so. Es muss ziemlich schwer sein, Sachen zu wissen, die andere nicht wissen.«
Ich hielt für einen Moment den Atem an. Das war nicht das, was ich für gewöhnlich zu hören bekam. Die meisten Leute - wenn sie denn überhaupt glaubten, dass ich hellsehen konnte -schwafelten nur davon, wie toll das sein musste. Wow, du kannst wirklich die Zukunft vorhersagen* Das ist ja cool! Kannst du dann im Lotto gewinnen oder so? Jemand, der begriff, dass das nicht immer lustig war, war tatsächlich … ungewöhnlich.
»Ich weiß nicht«, entgegnete ich schließlich. »Ich konnte ja schon immer hellsehen. Es war wohl eher so, dass ich irgendwann gemerkt habe … na ja, dass es die anderen nicht konnten, glaube ich.«
Eine ungebetene Erinnerung schoss mir durch den Kopf: Ich war fünf Jahre alt und mit meiner Mutter beim Einkaufen gewesen. Eine freundlich aussehende
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