Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bis aufs Messer

Bis aufs Messer

Titel: Bis aufs Messer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carter Brown
Vom Netzwerk:
ERSTES KAPITEL
     
    E s handelte sich um einen der größeren Brocken
des Bel Airschen Immobilienmarktes, und die
behagliche Ausstrahlung unantastbaren Reichtums umschattete ihn wie ein in Gold gefaßter Schirm. Alles war so verdammt ordentlich,
angefangen von der sauber geharkten und gesprengten, mit Kies bestreuten
Zufahrt, bis zu dem gedüngten grünen Rasen, der anmutig zu beiden Seiten
prangte. Ich parkte vor dem massiven, in imitiertem englischem Landhausstil
erbauten Haus und unterdrückte den plötzlichen Impuls, einen Backstein durchs
nächste Fenster zu werfen, nur um zu sehen, ob das Ganze nicht verschwinden
würde.
    Die
getäfelte Tür öffnete sich, als ich auf die offene Veranda hinaufstieg; und
etwas, das wie die Sklavin eines modernen ägyptischen Pharaos aussah, stand auf
der Schwelle. Sie war groß und elegant und trug ein zweiteiliges Kleid, um
dessen ärmelloses Oberteil und plissierten Rock sich horizontal abwechselnd
schwarze und weiße Seidenbänder wanden. Ihre Brüste waren klein und rund und
ihre Beine zwei lange schlanke Säulen reinen Entzückens.
    Ihr
glattes schwarzes Haar war straff von der Mitte aus an den Schläfen
zurückgestrichen, und die kurzen Enden ringelten sich leicht um die klare
Kontur ihrer Wangen. Ihre durchscheinende kupferfarbene Haut war glatt und
spannte sich über den hohen Backenknochen. Ihre Augen waren jadefarben und
riesengroß, die Nase vornehm und gerade, ihr Mund breit und sinnlich und eine
Spur arrogant. Vielleicht verbarg sich unter dieser glänzenden äußeren
Verpackung irgendwo tief vergraben Leidenschaftlichkeit, überlegte ich, und es
mochte großes Vergnügen bereiten, zu versuchen, dies herauszufinden.
    »Sie
sind Holman ?« Ihre Stimme war tief, energisch und
unpersönlich.
    »Rick Holman «, bestätigte ich.
    »Mein
Vater hat Sie hergebeten.« In ihrer Stimme lag ein Unterton leicht
verächtlicher Ablehnung. »Er hat seine Ansicht geändert. Sie können ihm eine
Rechnung für den Zeitaufwand schicken.«
    »Ihr
Vater hat mich hergebeten«, knurrte ich, »und kann mir deshalb selber sagen,
wenn er seine Ansicht geändert hat.«
    Ihr
Mund wurde schmal. »Ich bin seine Tochter.«
    Ich
zuckte die Schultern. »Das ist sein Problem.«
    »Ich
schlage nicht oft jemandem die Tür vor der Nase zu«, sagte sie in eisigem Ton,
»aber bei Ihnen, Holman , werde ich eine Ausnahme
machen.«
    »Antonia?«
rief eine tiefe männliche Stimme von irgendwoher aus dem Haus. »Wenn es Mr. Holman ist, bring ihn ins Wohnzimmer.«
    In
ihren Augen tauchte ein Ausdruck der Enttäuschung auf, bevor sie eisig wurden,
dann drehte sie sich schnell um und ging ins Haus zurück. Ich folgte dem
Seidenkleid mit den wirbelnden schwarz-weißen Kreisen durch die große
Eingangsdiele ins Wohnzimmer.
    Der
Mann, der sich aus einem dickgepolsterten Ledersessel erhob, um mich zu
begrüßen, war offensichtlich Rafe Kendall. Ein
großer, derbknochiger Körper, überragt vom Kopf eines Wikingers, dichtes
blondes, an den Schläfen ergrauendes Haar, intelligente blaue Augen, eine lange
gerade Nase und ein leicht grimmiger Mund — es war ein Gesicht, das ich
hundertmal in Zeitungen und Zeitschriften gesehen hatte. Es war eine
interessante Überlegung, welche Kombination von Erbfaktoren ihm eine grünäugige
und dunkelhaarige Tochter beschert haben mochte. Er war gegen Fünfzig und galt
als der bedeutende humanitäre Dramatiker des modernen Theaters, und das
war eine seltene Mischung: ein Mann von großem künstlerischem Ruf, der zugleich
phantastische geschäftliche Erfolge hatte.
    »Mr. Holman .« Er schüttelte mir die Hand und lächelte
bedächtig. »Setzen Sie sich, bitte. Ich sehe, Sie haben meine Tochter bereits
kennengelernt.«
    »Ich
habe versucht, ihn wegzuschicken«, sagte Antonia mit tonloser Stimme. »Aber er
wollte nicht gehen.«
    »Dann
kannst du für deine Sünden büßen, indem du uns etwas zu trinken bringst«, sagte
er leichthin. »Mr. Holman ?«
    »Bourbon
auf Eis, bitte«, sagte ich und ließ mich in einem Ledersessel dem seinen gegenüber
nieder.
    Das
dunkelhaarige Mädchen ging auf die Bar am anderen Ende des Zimmers zu, wobei
sie sich mit äußerster Anmut bewegte und der plissierte Seidenrock sinnlich um
ihre Oberschenkel wirbelte. Ich sah ihr ein paar Sekunden lang nach und richtete
dann den Blick auf Kendall.
    »Einer
meiner guten Freunde, Robert Giles — der englische Schauspieler — , hat einmal
mir gegenüber Ihren Namen erwähnt«, sagte er. »Er erklärte mir, daß,

Weitere Kostenlose Bücher