Wehe wenn der Wind weht
Ich werde dir nicht weh tun«, flüsterte Diana. »Ich werde dir nicht weh tun. Ich liebe dich.«
Eine Erinnerung kam in Christie hoch. Was hatte Diana ihr noch vor einer Woche gesagt, als ihr Küken gestorben war? »Menschen tun den Dingen, die sie lieben, immer weh.« Und Diana hatte sie an diesem Tag geschlagen, als ob sie etwas Falsches getan hätte. Aber sie hatte überhaupt nichts Falsches getan, außer, daß sie sich aus der Kinderstube geschlichen hatte, was Diana nicht wußte. Oder doch? Oder hatte sie sie an diesem Tag geschlagen, weil sie sie lieb hatte? Aber das machte alles keinen Sinn. Sie wartete an das Pferd gedrängt, als Diana näher zu ihr kam und sie dann ergriff.
Wollte Diana sie schlagen oder sie küssen? Sie wußte es nicht.
Diana umschlang Christie mit ihren Armen und hob sie vom Boden hoch. »Komm, Baby«, flüsterte sie. »Ich werde dich ins Haus bringen, und wir werden zusammen sein. Vielleicht fange ich damit an, dir Klavierspielen beizubringen. Möchtest du das?«
Stumm nickte Christie und Diana trug sie aus dem Stall. Doch als Diana sich umdrehte, um die Tür zu schließen, waren ihre Augen starr auf das Pferd gerichtet.
Christie gehörte ihr.
Doch schien das Pferd Christie fast zu beanspruchen.
Jetzt, während sie in der Finsternis des Hauses saß und der Wind zu wehen begann, erinnerte sich Diana an diesen Augenblick. Und sie erinnerte sich an die Zeit, als sie noch ein kleines Mädchen war und ein streunender Hund an die Hintertür gekommen war. Sie hatte sich mit dem Hund angefreundet und ihre Mutter angebettelt, ihn behalten zu dürfen.
Eine Weile hatte der Hund ihr gehört, hatte in der Kinderstube mit ihr geschlafen, war auf dem Hof mit ihr herumgetollt und war ein Ersatz für all die Freunde gewesen, die sie nie hatte haben dürfen.
Und dann, eines Tages, war der Hund fort.
Diana hatte nie gewußt, was mit dem Hund geschehen war.
Erst heute nacht fiel ihr alles wieder ein, während der Wind an dem alten Haus rüttelte und sie sich an Hayburners Augen erinnerte, die auf sie gerichtet waren.
Sie war in der Scheune und spielte mit ihrem Hund. Sie hörte, daß ihre Mutter sie rief, aber sie beachtete ihre Stimme nicht. Und dann war Edna in der Scheune und schaute sie an.
Als Diana aufblickte, war Edna mit einer Axt auf den Hund losgegangen, und der Hund war gestorben, hatte seine braunen Augen kläglich auf seine kleine Herrin gerichtet.
Die Erinnerung platzte aus Dianas Unterbewußtsein und überschwemmte sie mit Haß. Sie wandte sich vom Fenster ab und ging durchs Haus zur Hintertür.
Sie verließ das Haus und lief, gegen den Wind ankämpfend, über den Hof zu der Scheune, wo vor so vielen Jahren ihr Liebling gestorben war ...
Christie wachte am nächsten Morgen auf und zögerte, wie jeden Morgen, ihre Augen zu öffnen. Was würde heute passieren? Würde sie etwas falsch machen und würde Diana böse auf sie sein? Miß Edna würde sowieso böse auf sie sein, aber daran hatte sie sich ja gewöhnt. Bei Miß Edna wußte sie zumindest, woran sie war. Aber was war mit Diana? Gestern abend war alles in Ordnung gewesen, nach diesem Augenblick in der Scheune, als sie gedacht hatte, Diana würde sie schlagen. Aber dann hatte sich Dianas Stimmung scheinbar geändert, und der Rest des Tages war gut gewesen. Sie hatten gemeinsam am Piano gesessen, und Diana hatte ihr geholfen, mit dem Notenlernen anzufangen. Und dann, nach dem Abendessen, hatten sie Dame gespielt.
Und letzte Nacht, Christie war sich dessen fast sicher, hatte Diana nicht einmal die Tür der Kinderstube abgeschlossen.
Sie stieg aus dem Bett und ging zur Tür. Sie war unverschlossen.
Bedeutete das, es wäre richtig, sich anzuziehen und nach unten zu gehen?
Sie lauschte, ob sie unten den Klang von Stimmen hörte, aber das Haus war still. Dann ging sie zum Fenster und schaute hinaus. Die Sonne stand hoch am Himmel, und sie konnte die Pferde in ihren Ställen wiehern hören.
Sie entschloß sich, Diana damit zu überraschen, daß sie alle Tiere vor dem Frühstück fütterte.
Sie zog ihre Jeans und ein Hemd an, streifte Slipper über ihre Füße und ging dann so leise sie konnte über die Hintertreppe nach unten.
Draußen beschloß sie, erst die Hühner zu füttern und die Pferde ganz zum Schluß.
Die Hühner liefen um sie herum, als sie ihr Futter in den Stall trug, und begannen dann wie verrückt zu pic ken, als sie das Getreide in den Behälter schüttete. Sie wechselte das Wasser, überzeugte sich davon,
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