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Weihnachtszauber 01

Titel: Weihnachtszauber 01 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Louise Allen , Courtney Milan , Nicola Cornick
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Auf dem zweiten Treppenabsatz fehlten plötzlich die Dekorationen, die Mrs. Entwhistles Handschrift trugen. Hier mutete alles militärisch karg, fast spartanisch an. Die Wände wiesen das schmutzige Gelb auf, das entstand, wenn seit Jahren keine frische Farbe aufgetragen worden war.
    Mr. White sah Lavinia an, die Lippen fest zusammengepresst, und ging weiter einen leeren Flur hinunter und in eins der hinteren Zimmer. Die Möbel hier waren aus dunklem Holz. Nichts schmückte die kahlen weißen Wände. Auf einem weißen Waschtisch stand ein weißer Waschkrug, neben dem – ein unleugbar männliches Zubehör – ein Rasiermesser mit dunklem Griff lag. Das einzige Fenster ging auf einen trostlosen, öden Hof hinaus, in dessen Mitte ein einziger Baum stand. Doch auch dessen kahle Äste brachten keinen Trost.
    Lavinia blickte sich im Raum um, wobei sie geflissentlich die Ecke übersah, in der sich das Bett befand. Ein Bett. Der Besuch wurde von Moment zu Moment unschicklicher.
    Leicht zusammenschreckend, wandte sie sich zu Mr. White um, der den einzigen Stuhl im Zimmer für sie hervorzog. Sie setzte sich gehorsam, während er langsam zu einem Beistelltisch ging und von dort ein Papier nahm und es ihr brachte.
    „Ich habe den Schuldschein Ihres Bruders eingelöst“, sagte er ausdruckslos.
    „Warum?“, fragte sie leise.
    Zunächst erwiderte er nichts, sondern setzte sich auf das Bett und legte die Hände ineinander. Nachdenklich ließ sie den Blick darauf ruhen. Es waren sehr starke, männliche Hände. Sie konnte sich vorstellen, wie sie ihre Wangen berührten.
    Plötzlich fragte sie sich, ob Mrs. Entwhistle oft Verwandte besuchte und vor allem ob Mr. White oft weibliche Gäste in seiner Unterkunft empfing.
    Aber nein. Dazu war sein Unbehagen zu offensichtlich. Ein erfahrener Verführer würde ihr außerdem etwas zu trinken angeboten haben. Er hätte sich bemüht, sie zum Lachen zu bringen. Auf keinen Fall hätte er sie auf einem harten, unbequemen Stuhl Platz nehmen lassen und kein Wort gesagt.
    „Was glauben Sie“, erwiderte er jetzt, „weshalb ich darum bat, mit Ihnen zu reden und nicht mit Ihrem Bruder?“
    „Weil ich vernünftiger bin als er?“
    „Weil“, sagte er kühl, ohne ihr jedoch in die Augen sehen zu können, „nur Sie mit Ihrem hinreißenden Körper in der Lage sind, mich mit der Münze zu bezahlen, die ich für dieses Papier haben will.“
    Es verging ein Moment, bevor sie die Bedeutung seiner Worte fassen konnte. Er hoffte also nicht nur auf einen Kuss, mit dem sie ihm ihre Dankbarkeit zeigen sollte.
    Ebenso wenig gab er vor, sie verführen zu wollen. Stattdessen versuchte er ganz offen, sie zu nötigen. So oft hatte sie insgeheim davon geträumt, bei diesem stillen, verschlossenen Mann zärtliche Gefühle für sie zu entdecken. Sie hatte sich danach gesehnt, eine Zuflucht zu finden, wo sie die Sorge um ihre Familie eine Weile vergessen und eine junge Frau sein konnte, die von einem jungen Mann begehrt wurde.
    Doch ihre Wünsche waren nicht von Interesse für ihn. Wenn er sie auf diese lächerliche Weise zu zwingen versuchte, hegte er keine zärtlichen Gefühle für sie.
    Plötzlich glaubte Lavinia, der Raum drehe sich um sie. Unwillkürlich schlang sie die Arme um sich, als wäre ihr kalt.

    „Mr. William White. Sie sind ein abscheulicher Lump.“
    William wusste, wie abscheulich sein Verhalten war. Nur ein Unhold bedrängte eine junge Dame auf diese Weise. Allerdings begehrte er sie so sehr, dass alles andere ihm fast gleichgültig war.
    „Sie denken sicher, ich sollte die Schulden Ihres Bruders vergessen“, sagte er.
    „Ja.“
    „Aber was würde ich dadurch gewinnen?“
    Sie senkte den Blick. „Er ist noch keine einundzwanzig, wissen Sie.“
    Was sollte ihm das schon ausmachen? Ihr Bruder war älter als vierzehn, und in dem Alter war er selbst bereits gezwungen gewesen, sich allein um sich zu kümmern. Seit damals arbeitete er hart für alles, was er brauchte. Nichts war ihm umsonst gegeben worden – kein Penny, kein freundliches Wort und gewiss keine Schwester, die ihn vor jeder Gefahr beschützte.
    „Sie werden bald erfahren“, fuhr er sie etwas zu heftig an, „dass alles seinen Preis hat.“ Kohlen und warme Decken in düsteren Pensionen kosteten Geld. Die beschwerliche Arbeit als Schreiber hatte ihn seine Jugend gekostet. Jahrelang hatte er seine Abende damit verbracht, beim schwachen Schein des Kaminfeuers sein Wissen über Landwirtschaft und Buchhaltung zu vertiefen. Jedoch

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