Weiss wie der Tod
nicht bestimmen. Rechtshänder. Die Hiebe verlaufen von oben links nach rechts unten.»
Alexej Naumov schaltete sich ein. «Hat er lange leiden müssen?»
«Kommt auf seine Schmerztoleranz an. Drei bis fünf Stunden. Dann trat Bewusstlosigkeit ein.»
«Ist er fixiert gewesen?», fragte Naima.
«Ich habe keine Anzeichen dafür gefunden.»
«Das heißt, er hat es freiwillig über sich ergehen lassen?»
«Oder er war kampfunfähig», fügte Luansi Benguela hinzu.
«Die chemischen und feinstofflichen Untersuchungen laufen noch. Bisher habe ich aber keine Spuren von einem Betäubungsmittel feststellen können.»
«Wer macht so was?», fragte Naumov. «Das ist doch krank.»
Naima lächelte. «Was glaubst du, was ich in den letzten Tagen alles gesehen habe.»
«Gute Frage», sagte Michaelis. «Was machen deine Ermittlungen bei den Dominas?»
«Bisher will keine der Damen den Mann erkannt haben. Vielleicht haben wir mit dem Neuen mehr Glück.»
«Muss es sich denn unbedingt um einen sexuellen Hintergrund handeln?», warf Gudman skeptisch ein.
«Levy, was meinst du dazu?», fragte Michaelis.
Doch Levy antwortete nicht. Er war eingenickt.
9
D er Scheibenwischer lief im Intervall. Stephan Voss blickte hinauf in den vierten Stock, wo noch immer die Bürobeleuchtung brannte. Jennifer hatte ihm im letzten Gespräch vor einigen Wochen geklagt, dass sie lange im neuen Job arbeiten müsse. Doch nun ging es bereits auf 21 Uhr zu. Seinen Standardspruch Ich war ohnehin in der Gegend konnte er nun nicht mehr anbringen. Dabei war die Gelegenheit günstiger denn je. Regen und Wind zwangen die Bewohner der Stadt in die eigenen vier Wände. Es war niemand auf der Straße oder an den Fenstern der umliegenden Häuser zu sehen.
Jennifer war gerade erst zwanzig Jahre alt und hatte bereits Verantwortung zu tragen. Ihre Angst zu scheitern hatte sie schon öfter zur Sprache gebracht. Stephan zeigte sich verständnisvoll, teilte ihre Besorgnis und machte ihr Mut, dass sie die Kraft und das notwendige Durchsetzungsvermögen mitbringe, um den Anforderungen gerecht zu werden. Er habe eine gute Menschenkenntnis und sei sich sicher, dass sie zu den wenigen gehöre, die es schaffen würden.
Es hätte nicht viel gefehlt, und er wäre an jenen Abenden in ihrem Bett gelandet – wenn er es gewollt hätte. Die anfänglich spröde, doch mit der Zeit schnell auftauende Jenny aus Chemnitz war allein in dieser Stadt. Sie suchte nach Freundschaft und Nähe, die sie in Stephan glaubte gefunden zu haben. Dabei verachtete er sie, sie alle, die sich auf seine Aufmerksamkeit etwas einbildeten.
Aufmerksamkeit. Das war das Schlüsselwort in seinem Leben gewesen. Damals hatte sie sich einen Dreck darum geschert – Tanja, seine langjährige Freundin und Fast-Ehefrau. Er hatte sie auf einer Party kennengelernt. Da war er gerade achtzehn und sie einundzwanzig. Sie war ihm sofort aufgefallen. Selbstbewusst, überlegen, laut. Sie war in Begleitung ihres Freundes gekommen, eines älteren Abteilungsleiters mit BMW und in Armani. Der glaubte, bestimmen zu können, mit wem sie quatscht, mit wem sie tanzt, mit wem sie fickt. Sie machte ihm schnell klar, wer das Sagen hatte. Zuerst auf der Tanzfläche, dann in der Küche und zum Schluss auf der Toilette. Nachdem sie ihr sexuelles Bedürfnis befriedigt hatte, ging sie geradewegs auf Stephan zu, griff nach seiner Hand und führte ihn hinaus in die kühle Nacht. Ausgerechnet ihn, der sich nie im Leben getraut hätte, sie anzusprechen, geschweige denn, von so einer Superfrau angesprochen zu werden.
Drei Wochen später zogen sie zusammen. Sie wollte es so, meinte, dass es an der Zeit wäre, sich auf eigene Füße zu stellen und das bequeme Heim bei Mama zu verlassen.
Seine Mutter mochte sie vom ersten Augenblick an nicht. Tanja habe den Teufel im Leib. Sie wusste, wovon sie sprach. Auch seine Mutter war die bestimmende Person in der Familie gewesen, hatte den Vater in den Suff getrieben und ihn unter ihre Rockschürze gezwungen.
Seine Mutter und Tanja waren die wichtigsten Personen in Stephans Leben gewesen. Letztlich hatte er sich für Tanja entschieden. Sie bestand darauf, dass er auszog, den Job als Installateur schmiss und das Kaff in der Nähe von Koblenz verließ. Die Zeit wäre reif für Besseres, sagte sie und meinte sich. Wieso sie sich gerade ihn für einen Neuanfang ausgesucht hatte, blieb ihm ein Rätsel. Sie hätte jeden haben können.
In Frankfurt arbeitete er sich durch die Stellenanzeigen. Der
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