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Weiss wie der Tod

Weiss wie der Tod

Titel: Weiss wie der Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roman Rausch
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Unterschiede zwischen den beiden Opfern? Polykarp war an einem Leberriss gestorben, Patrick am Bruch des Kehlkopfknorpels. Der eine war verblutet, der andere erstickt. Zufall?
    Wohl kaum. Wer stundenlang auf sein Opfer eindrischt, wird den finalen Stoß überlegt und zielsicher führen. Schließlich ist es die krönende Abschlusshandlung eines stundenlangen Prozesses – sowohl für das Opfer als auch für den Täter.
    Wenn, wie vermutet, das Opfer gekrümmt am Boden lag, musste der Täter den Mann erst in Position gebracht haben, um den Todesschlag auszuführen.
    Die Erregungskurve des Täters musste nach Eintritt des Todes rapide abgefallen sein. Es gab keine Anzeichen, dass den Opfern nach dem Exitus weitere Schläge zugefügt worden waren.
    Folglich hatten sie es mit einem Tätertypus zu tun, der die überwiegende Zeit klar bei Verstand war. Er ließ sich zwar von einem sehr ausgeprägten Bedürfnis über Stunden antreiben, doch zum Zeitpunkt des Todes war er gefasst. Der letzte, todbringende Schlag glich dem Abfeuern einer Waffe, dem Freigeben des Fallbeils, dem Öffnen der Falltür.
    Eine Hinrichtung.
    War es das? Hatten sie es mit einer Hinrichtung zu tun oder mit einer exzessiven, aus dem Ruder gelaufenen Sexualpraktik, die aufgrund des Vertrauensbruchs zwischen Meister und Sklave zum tödlichen Ende geführt werden musste?
    Levy hatte keine Antwort darauf. Dafür war die Ermittlungslage zu dünn. Zuerst mussten die beiden Kardinalfragen geklärt werden, die bei großer Gewaltanwendung immer im Vordergrund standen:
    Hatte der Täter ein sexuelles Bedürfnis durch eine nichtsexuelle Handlung zum Ausdruck gebracht?
    Das bedeutete eine hohe sexuelle Erregung oder sexuelle Dominanz durch körperliches Quälen des Opfers.
    Oder: Wurde ein nichtsexuelles Bedürfnis durch eine sexuelle Handlung vollzogen?
    Darunter fielen Machtdemonstration, Überlegenheit, Quälen durch Vergewaltigung, sadistische sexuelle Handlungen oder anderweitig erzwungene Sexualität.
    Levy lehnte sich im Stuhl zurück und verschränkte die Hände hinter dem Kopf. Durchs Fenster zwang sich müde das erste graue Tageslicht herein. Der Sturm, der ihn durch die Nacht begleitet hatte, schien besänftigt.
    War ihm die Puste ausgegangen, und würde sich die Wetterlage bessern? Oder machte er nur eine Pause, um dann noch schlimmer zuzuschlagen?

13
    H ab keine Angst», sagte Lili zu Nicole. «Das ist Frau Kleinert vom Jugendamt. Sie will sich nur mit dir unterhalten.»
    In ein leeres Klassenzimmer hatten sich eine sichtbar nervöse Direktorin und eine um Freundlichkeit bemühte Frau Kleinert zurückgezogen. Sie hofften, dass sich die besorgniserregende Nachricht Lilis über eine vergewaltigte Schülerin als Irrtum erweisen würde.
    Nicole nahm Platz. Sie wirkte unsicher, vermied jeden Blickkontakt.
    «Frau Waan hat uns mitgeteilt», begann Kleinert, «dass du ein Problem hast. Willst du mir davon erzählen?»
    Nicole verneinte stumm, den Kopf gesenkt.
    Lili ging in die Hocke, schaute ihr in die Augen und nahm ihre Hand. «Keine Sorge, nichts verlässt diesen Raum, wenn du es nicht willst.»
    «Frau Waan», unterbrach sie Kleinert, die wusste, dass Lili dieses Versprechen nicht würde einhalten können, sofern sich ein Verdacht ergab. «Nicole muss freiwillig erzählen. Alles andere ist wenig hilfreich.»
    Dann wandte sie sich an Nicole. «Es fällt dir schwer, darüber zu sprechen, nicht wahr?»
    Nicole nickte.
    «Das kann ich gut verstehen. Auch ich hätte Bammel, mich damit einer Fremden anzuvertrauen. Aber glaube mir, ich bin keine Fremde. Ich bin eine Freundin, von der du nur noch nichts weißt.»
    Nicole blickte auf. Ein dünnes Lächeln huschte über ihr Gesicht.
    «Siehst du, ist doch gar nicht so schlimm», fuhr Kleinert unbeirrt fort. «Ich würde gern aus deinem Mund hören, was du bereits Frau Waan gesagt hast. Willst du das für mich tun?»
    Nicole brach den Blickkontakt wieder ab und drehte den Kopf zum Fenster.
    Die Direktorin trat an sie heran. «Nicole, du brauchst wirklich keine Angst zu haben. Wir verstehen …»
    «Frau Dr.   Fendt, bitte», unterbrach Kleinert bemüht. «Nicole weiß das.» Zu Nicole gewandt: «Lass dir Zeit. Sprich, wenn du so weit bist. Niemand in diesem Raum will Druck auf dich ausüben.»
    Eine Träne lief Nicole über die Wange. «Dieses Schwein», sagte sie kühl, «er kann die Finger einfach nicht von mir lassen.»
    Erleichterung machte sich bei Lili breit, Betroffenheit bei Kleinert und Entsetzen bei

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