Weiss wie der Tod
der Direktorin.
«Wen meinst du?», fragte Kleinert. «Und vor allem, was meinst du genau damit?»
Nicole hob das T-Shirt. Rund um ihre schwach ausgeprägten Brüste zeigten sich grünblaue Druckstellen.
«Malte, meinen Onkel. Er wohnt eine Tür weiter.»
14
Z ur Teambesprechung am Morgen waren alle versammelt. Selbst Levy war pünktlich erschienen, was ihm nicht schwergefallen war. Seine Nacht war in den Morgen übergegangen und der Morgen in ein beruhigendes Bad, das ihn äußerlich gepflegt erscheinen ließ. Er hatte nicht gefrühstückt, zumindest nichts Festes. Der Alkohol zirkulierte noch immer mit dem Blut in seinem Kreislauf. Alles andere hätte die Harmonie gestört.
«Unsere Fälle haben eine andere Qualität als die üblichen Dominageschichten», eröffnete Naima Hassiri die Runde. «Niemand will Polykarp oder Patrick kennen. Das Verletzungsmuster der beiden gehe über jede gängige Praxis hinaus, wurde mir versichert. Damit vergraule man Kunden, anstatt sie an sich zu binden. Und meiner Ansicht nach macht das auch Sinn. Ich fürchte, die Dominas scheiden als mögliche Tätergruppe aus.»
«Beim Täter tippe ich ohnehin auf einen kräftigen Mann», ergänzte Dragan Milanovic. «Die Wucht und die Anzahl der Schläge erfordern eine gute körperliche Verfassung.»
«Hast du die Liste mit den Vorbestraften durch?», fragte Michaelis.
«Noch nicht ganz. Aber ich verspreche mir dabei nichts Überraschendes. Deren Opfer waren zumeist Frauen.»
«Bis auf die», ergänzte Luansi Benguela, «die sich bewusst Männer als Sexualpartner suchen.»
«Du meinst, Schwule verkloppen sich mittlerweile selbst?», frotzelte Falk Gudman.
«Es sind zwar nicht so viele Fälle bekannt wie umgekehrt», antwortete Benguela, «aber wieso nicht? Sofern eine sadomasochistische Veranlagung bei einem Homosexuellen gegeben ist, liegt doch die Vermutung auf der Hand. Der vorangegangene Aggressor, in den meisten Fällen der Vater oder der ältere Bruder, der die Homosexualität in seiner Familie fürchtet, sie gar als Bedrohung betrachtet, dürfte ihm das Leben schwergemacht haben.»
«Ein interessanter Ansatz», lobte Michaelis. «Levy, was meinst du dazu?»
«Wir haben keinen Tatort», antwortete Levy, «das macht eine Beurteilung auf Basis der vorliegenden Erkenntnisse schwierig. Ich kann bislang keinen sexuellen Impuls bei den Taten erkennen. Dennoch hat Luansi recht. Männer, die Opfer einer sexuellen Mordtat werden, haben mitunter homosexuelle Männer zum Täter – keine Frauen. Auf der anderen Seite sind Kehlkopf und Leber als Ziel des finalen Todesstoßes weder primäre noch sekundäre Geschlechtsmerkmale des männlichen Körpers und scheiden daher für eine eindeutige Zuordnung – sexuell oder nicht sexuell – aus.»
«Was ist dann wahrscheinlich?», hakte Naima nach.
«Die Spannbreite ist groß. Sie reicht vom Racheakt mit Tötungsimpuls bis zur Freude am Quälen.»
«Gruppenaggression?», warf Benguela ein.
Michaelis stutzte. «Was meinst du damit?»
«Wir hatten einen Fall im Osten, als eine Gruppe Jugendlicher einen Schulkameraden über Tage hinweg misshandelte, erniedrigte und schließlich tötete. Allein wäre wohl keiner von denen dazu fähig gewesen. In der Gruppe jedoch fühlten sie sich stark.»
Michaelis’ fragender Blick ging zu Levy.
Er zuckte mit den Schultern. «Das ist auf Basis der bisherigen Ermittlungsergebnisse nicht auszuschließen.»
Milanovic ergriff das Wort: «Ich konnte keine Misshandlungen feststellen, die weiter als ein paar Stunden vor dem Tod von Polykarp und Patrick zurücklagen. Wenn es also eine Gruppe Jugendlicher war, dann hat sie sich nicht lange Zeit dafür gelassen.»
«Dennoch», entschied Michaelis, «sollten wir dem auf den Grund gehen. Luansi, hör dich mal um, ob es in Hamburg und im Umland Auffälligkeiten in diese Richtung gegeben hat.»
«Und was ist mit der Homotheorie?», schaltete sich Alexej Naumov ein.
«Stimmt, die dürfen wir nicht unter den Tisch fallen lassen. Am besten kümmerst du dich darum.»
«Ich? Wieso das denn?»
«Schau doch mal in den Spiegel», sagte Gudman.
Der eine oder andere in der Gruppe begann zu grinsen.
Nur Naumov fand das überhaupt nicht lustig. «Willst du behaupten …»
«Nein», ging Naima dazwischen, «aber wir können uns vorstellen, dass dich so mancher Mann nicht von der Bettkante stoßen würde. Und falls es dich beruhigt, manche Frauen auch nicht.»
«Hört, hört», legte Gudman nach, «hab ich da was
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