Weißglut
aber dann lauschten die drei schweigend, wie Selma auf das Läuten der Türglocke hin von der Küche auf der Rückseite der Villa zur Haustür ging. Die Haushälterin begrüßte die Besucher, aber der Wortwechsel war zu gedämpft, als dass man etwas verstanden hätte. Schritte näherten sich dem Fernsehzimmer. Dann erschien Selma in der Tür, gefolgt von den beiden Besuchern.
»Mr. Hoyle, Sheriff Harper möchte Sie sprechen.«
Huff machte ihr ein Zeichen, den Sheriff hereinzubitten.
Sheriff Red Harper war dreißig Jahre zuvor in sein Amt gewählt worden, nachdem Huff seine Kampagne massiv unterstützt und seinen Sieg sichergestellt hatte. Seither war der Sheriff dank Huffs Brieftasche im Amt geblieben.
Sein einst feuerrotes Haupthaar war matt geworden, so als wäre es auf seinem Kopf verrostet. Red Harper war fast einen Meter neunzig groß, aber so dünn, dass der dicke Ledergürtel mit den Insignien seines Amtes an ihm herabhing wie ein Fahrradschlauch an einem Zaunpfahl.
Er wirkte ausgelaugt, und das nicht nur wegen der Gluthitze draußen. Sein Gesicht war lang und hager, als hätten drei Jahrzehnte der Korruption und des schlechten Gewissens daran gezehrt. Sein jammervolles Auftreten war das eines Mannes, der sich unter Wert dem Teufel verkauft hatte. Er war ohnehin keine Frohnatur, doch als er jetzt ins Zimmer trat und den Hut absetzte, wirkte er noch niedergeschlagener als sonst.
Im Gegensatz dazu erschien der junge Officer an seiner Seite, den sie alle noch nie gesehen hatten, mitsamt seiner Uniform wie in ein Stärkebad getaucht. Er war so glatt rasiert, dass seine Wangen rosa leuchteten. Außerdem wirkte er angespannt und hellwach wie ein Sprinter vor dem Startschuss.
Red Harper begrüßte Beck mit einem knappen Nicken. Dann sah der Sheriff auf Chris, der neben Huffs Sessel stand. Schließlich blieben seine trüben Augen an Huff hängen, der in seinem Sessel sitzen geblieben war.
»Abend, Red.«
»Huff.« Statt Huff direkt anzusehen, senkte er den Blick auf die Hutkrempe, die er rastlos zwischen den Fingern drehte.
»Was zu trinken?«
»Nein danke.«
Huff war dafür bekannt, dass er für niemanden aufstand. Eine solche Respektsbezeugung blieb allein Huff Hoyle vorbehalten, das wusste jeder im Parish. Diesmal aber hielt Huff die Spannung nicht mehr aus, drückte die Fußstütze des Sessels nach unten und erhob sich.
»Was ist denn los? Und wer ist das?« Er musterte den blank gewienerten Begleiter von Kopf bis Fuß.
Red räusperte sich. Er ließ die Hand mit dem Hut sinken und klopfte nervös damit gegen den Schenkel. Erst nach einer halben Ewigkeit sah er Huff in die Augen. An alldem erkannte Beck, dass der Sheriff nicht nur hier war, um den monatlichen Scheck abzuholen, sondern aus gewichtigeren Gründen.
»Es ist wegen Danny …«, setzte er an.
Kapitel 2
Der Highway war kaum wiederzuerkennen. Unzählige Male hatte Sayre Lynch die Strecke zwischen dem New Orleans International Airport und Destiny zurückgelegt. Aber heute kam es ihr so vor, als würde sie ihn das erste Mal befahren.
Im Namen des Fortschritts war all das, was diese Gegend einst unverwechselbar gemacht hatte, zugebaut oder vernichtet worden. Der Charme des ländlichen Louisiana war dem grellen Kommerz geopfert worden. Kaum etwas Idyllisches oder Pittoreskes hatte die Zerstörungswut überstanden. Sie hätte überall in den USA sein können.
Wo sich einst nur kleine Familiencafés befunden hatten, gab es nun Fastfood-Läden. Hausgemachter Hackbraten und Muffaletta-Sandwiches waren durch Chicken Wings und Supersize-Meals ersetzt worden. Statt handgemalter Schilder leuchteten überall Neonröhren. Die täglich mit Kreide geschriebene Speisekarte war einer körperlosen Stimme hinter dem Drive-Through-Schalter gewichen.
Während der zehn Jahre ihrer Abwesenheit waren die mit spanischem Moos behangenen Bäume wegplaniert worden, um zusätzlichen Fahrspuren Platz zu machen. Nach der Verbreiterung wirkte das Flussdelta entlang der Straße längst nicht mehr so unermesslich und mysteriös. Die früher unwegsamen Sumpfgebiete waren jetzt von Auf- und Abfahrten eingefasst, auf denen sich SUVs und Lieferwagen drängten.
Erst jetzt begriff Sayre, wie tief ihr Heimweh saß. Gleichzeitig weckten die radikalen Veränderungen in der Landschaft nostalgische Erinnerungen an die Lebensart von früher. Sie sehnte sich nach dem Duftgemisch von Cayenne und Filé. Sie wünschte sich das Patois der Bedienungen zu hören, wenn sie Cajun-Gerichte
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