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Wen der Rabe ruft (German Edition)

Wen der Rabe ruft (German Edition)

Titel: Wen der Rabe ruft (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maggie Stiefvater
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hässlich, aber die Aufmerksamkeit hatte weniger etwas mit Attraktivität zu tun als mit dem ungewohnten Anblick eines Aglionby-Jungen neben einem unverschämt orangefarbenen, liegen gebliebenen Auto am Straßenrand. Gansey war nur zu bewusst, dass die Einwohner des ruhigen Städtchens Henrietta in Virginia nichts lieber sahen, als dass einem Schüler der Aglionby Academy etwas Erniedrigendes widerfuhr – es sei denn, es widerfuhr gleich seiner ganzen Familie.
    »Mann, muss das sein?«, stöhnte Ronan.
    »Jetzt tu mal nicht so, als wärst du scharf drauf, dich brav in den Unterricht zu setzen. Und gleich ist sowieso Mittagspause.« Dann fügte er, der Form halber, noch ein »Bitte« hinzu.
    Ronan schwieg eine Weile. Darin war er ziemlich gut; er wusste, welches Unbehagen Schweigen anderen Leuten bereitete. Doch Gansey hatte schon längst eine Immunität dagegen entwickelt. Während er auf Ronans Antwort wartete, beugte er sich ins Auto, um nachzusehen, ob er irgendetwas zu essen im Handschuhfach hatte. Außer einer Allergiespritze fand er dort eine Stange Trockenfleisch, deren Haltbarkeitsdatum allerdings schon vor zwei Jahren abgelaufen war. Wahrscheinlich hatte sie bereits im Auto gelegen, als er es gekauft hatte.
    »Wo bist du denn?«, fragte Ronan schließlich.
    »Auf der 64, gleich neben dem Henrietta-Ortsschild. Bring mir einen Burger mit, ja? Und einen Kanister Benzin.« Dem Wagen war zwar nicht das Benzin ausgegangen, aber schaden konnte es wohl nicht.
    Ronan klang ziemlich angesäuert. »Gansey.«
    »Und bring Adam mit.«
    Ronan legte auf. Gansey schälte sich aus seinem Pullover und warf ihn in den Camaro. Auf dessen winziger Rückbank fristete ein buntes Sammelsurium aus Alltagsgegenständen sein Dasein: ein Chemiebuch, ein Schreibblock mit Frappuccinoflecken, eine CD-Mappe mit halb offenem Reißverschluss, aus der ein paar nackte Scheiben auf den Sitz gerutscht waren – sowie die Ausrüstung, die er sich während seiner achtzehn Monate in Henrietta zusammengestellt hatte. Zerknitterte Landkarten, Computerausdrucke, sein allgegenwärtiges Notizbuch, eine Taschenlampe, ein Weidenstab. Als Gansey ein digitales Aufnahmegerät aus dem Chaos zog, flatterte eine Imbissquittung (eine große Pfannenpizza, zur Hälfte mit Würstchen, zur Hälfte mit Avocado belegt) zurück auf den Sitz und gesellte sich zu einem halben Dutzend weiterer ihrer Art, die bis auf das Datum allesamt identisch waren.
    Die letzte Nacht hatte er mit laufendem Aufnahmegerät und gespitzten Ohren vor der geradezu monströs modernen Erlöserkirche verbracht und gewartet – ohne wirklich zu wissen, worauf. Die Atmosphäre war alles andere als magisch gewesen. Wahrscheinlich hätte es bessere Orte gegeben, um mit den Toten der Zukunft in Kontakt zu treten, aber Gansey hatte große Hoffnungen in die Macht des Datums gesetzt – schließlich war es der Abend vor dem Markustag gewesen. Und er hatte ja auch gar nicht erwartet, tatsächlich Tote zu Gesicht zu bekommen. Laut seiner Quellen musste man für eine Kirchenwache über die »Gabe des Sehens« verfügen, und die war bei Gansey bereits im herkömmlichen Sinn miserabel ausgeprägt, wenn er seine Kontaktlinsen nicht trug. Er hätte sich nur gewünscht …
    Dass irgendetwas passierte. Und dieser Wunsch war ihm auch erfüllt worden. Er war sich bloß noch nicht sicher, was dieses »Irgendetwas« gewesen war.
    Das Aufnahmegerät in der Hand, setzte Gansey sich auf den Boden und lehnte sich zum Warten an einen der Hinterreifen, sodass der Wagen ihn vor den vorbeirauschenden Autos abschirmte. Auf der anderen Seite der Leitplanke erstreckte sich eine allmählich wieder ergrünende Wiese bis hinunter zum Waldrand. Und über allem erhoben sich die geheimnisvollen blauen Gipfel der Berge.
    Gansey zeichnete die Form der verheißenen Energielinie, die ihn hierhergeführt hatte, auf seine staubige Schuhspitze. Der Wind aus den Bergen, der ihm um die Ohren heulte, klang beinahe wie ein gedämpftes Rufen – kein Flüstern, sondern ein lauter Schrei, der aus so großer Ferne zu kommen schien, dass er kaum hörbar war.
    Henrietta wirkte tatsächlich wie ein Ort, an dem Magie möglich war. Das Tal schien unablässig Geheimnisse vor sich hin zu raunen. Die Vorstellung, dass es sie Gansey nur nicht preisgeben wollte, erschien ihm glaubhafter als die, dass es einfach keine gab.
    Bitte sag mir doch, wo du bist.
    Sein Kopf schmerzte vor Sehnsucht und dieser Schmerz war kein bisschen weniger schlimm, nur weil er

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