Wenn Alkohol zum Problem wird
»Alkoholkranker« hingegen ist deutlich positiver besetzt und unterliegt bei Weitem nicht jenem Vorurteil. Analog zum Sprachgebrauch wird eher akzeptiert, dass ein Kranker »nicht von alleine« wieder gesundet, sondern Behandlung und Unterstützung benötigt.
Was bedeutet schädlicher Gebrauch (Missbrauch)?
Beim Alkoholismus wird zwischen schädlichem Konsum (Missbrauch) und Abhängigkeit differenziert.
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) versteht unter schädlichem Gebrauch (Missbrauch) von Alkohol, wenn ein Mensch durch zu häufiges und/oder unmäßiges Alkoholtrinken eine Gesundheitsschädigung erleidet. Diese kann sich körperlich und/oder psychisch äußern. Die Schädigungen müssen konkret und akut nachweisbar sein (nicht irgendwann in der Vergangenheit vorhanden!), um diese Diagnose zu rechtfertigen. Auch ein akuter Rauschzustand (siehe → S. 63 ) oder ein »Kater« beweisen für sich allein noch nicht den »Gesundheitsschaden«, der zur Diagnose »schädlicher Gebrauch (Missbrauch)« erforderlich ist – sind aber Warnhinweise.
Fast immer hat hoher oder häufiger Alkoholkonsum neben den gesundheitlichen Schädigungen des Betroffenen auch Auswirkungen auf seine Familie oder seinen Beruf (siehe → S. 68 ). Das amerikanische Diagnosehandbuch (DSM-IV) definiert »Alkoholmissbrauch« daher eher in Bezug auf die sozialen Aspekte (siehe Kasten).
INFO
Alkoholmissbrauch hat oft auch soziale Auswirkungen
Im amerikanischen Diagnosehandbuch (DSM-IV) wird »Alkoholmissbrauch« folgendermaßen definiert. Alkoholmissbrauch liegt vor, wenn innerhalb eines Zwölf-Monats-Zeitraums mindestens eines der folgenden Merkmale auftritt:
wiederholter Alkoholkonsum, der zu einem Versagen bei der Erfüllung wichtiger Verpflichtungen bei der Arbeit, in der Schule oder zu Hause führt (z. B. wiederholtes Fernbleiben von der Arbeit wegen oder schlechte Arbeitsleistungen durch Alkoholgebrauch; Vernachlässigung des Haushalts);
wiederholter Alkoholkonsum in Situationen, in denen es aufgrund des Konsums zu einer körperlichen Gefährdung seiner selbst oder anderer kommen kann (z. B. Alkohol am Steuer oder das Bedienen von Maschinen unter Alkoholeinfluss);
wiederkehrende rechtliche Probleme im Zusammenhang mit Alkoholkonsum (z. B. Verhaftungen wegen Ruhestörung oder Diebstähle und Betrügereien);
fortgesetzter Alkoholkonsum trotz ständiger oder sich wiederholender sozialer oder zwischenmenschlicher Probleme, die durch die Auswirkungen des Alkohols verursacht oder verstärkt werden (z. B. Streit mit dem Ehegatten über Folgen von Rauschzuständen, körperliche Gewalttätigkeiten oder Kindesmissbrauch).
Wann spricht man von Abhängigkeit?
Von Alkoholabhängigkeit spricht man, wenn über die eben beschriebenen Gesundheitsschäden hinaus bereits
körperliche Entzugserscheinungen auftreten, wenn der Konsum unterbrochen oder eingeschränkt wird,
eine Toleranzsteigerung (Gewöhnung) vorliegt – man also immer mehr trinken muss, um den gleichen Effekt zu erzielen, und
ein sogenannter Kontrollverlust eingetreten ist, man also nicht mit dem Trinken aufhören kann, auch wenn man es eigentlich will.
Die beiden ersten Punkte sind Anzeichen einer körperlichen Abhängigkeit, der Kontrollverlust wird als psychische Abhängigkeit bezeichnet.
INFO
Alkoholabhängigkeit ist eine Krankheit
Durch höchstrichterliche Urteile wurde anerkannt, dass die Alkoholabhängigkeit (und deren erste Anzeichen) als Krankheit anzusehen ist. Dies hat zur Folge, dass Alkoholismus auch versicherungsrechtlich wie jede andere Erkrankung gehandhabt wird, z. B. dass die Behandlungskosten vom zuständigen Kostenträger (Krankenkassen, Rentenversicherung) übernommen werden müssen (siehe → S. 130 ). Lediglich bestimmte Privatkrankenkassen haben in ihren Verträ gen mit dem Versicherten eine Ausschlussklausel, sodass die Kostenübernahme nicht sicher ist.
Alkoholismus ist die häufigste und wichtigste sozialmedizinische Krankheit. Er ist in seinem Verlauf und in seinen Folgen (z. B. Zahl der Todesfälle) durchaus mit anderen Volkskrankheiten wie Herz- und Kreislauf Krankheiten, Krebserkrankungen, Diabetes mellitus (Zuckerkrankheit) oder Tuberkulose vergleichbar.
Woran erkennt man körperliche Abhängigkeit?
Von körperlicher (physischer) Abhängigkeit spricht man, wenn bei einem Menschen, der über Stunden hinweg (z. B. nachts, weil er schläft) keinen Alkohol zu sich nimmt, Entzugserscheinungen bei fallendem Alkoholspiegel auftreten. Die
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