Wenn du mich brauchst
Peaks. Es war eine sehr spirituelle Nacht. Nur Leek und ich mit meinem Riesenbauch und Betty, die Hebamme«, ergänzt Rosie und legt ihre Hand auf Leeks Knie. »Es war wunderschön.«
»Ja, wunderschön«, wiederholt Leek sarkastisch. »Betty fürchtete sich die ganze Zeit davor, ein Ranger könne auftauchen und uns ertappen. Sie zitterte um ihre Hebammenzulassung, aber Rosie bestand ja auf dieser Wahnsinnsgeburt. Ich war zum Glück völlig stoned, sonst wäre ich vermutlich durchgedreht in dieser Nacht. Alleine das viele Blut …« Leek schauderte, aber dann lachte er wiederum leise und angelte seinen Tabak aus der Tasche und dazu ein paar Krümel Cannabis.
»Und ein Jahr später kamst du schon«, sagte meine Mutter zu mir.
Ich nicke. Aber die Geschichte meiner Geburt war bei Weitem nicht so romantisch wie die von Moons Geburt. Damals lebten wir schon in LA und Leek hatte die ersten Aufträge von Galerien. Mum und er hatten auf einmal Geld, aber während der Schwangerschaft gab es Komplikationen und Rosie musste ins Krankenhaus, um mich zu bekommen. Dabei hasste sie Krankenhäuser wie die Pest.
Kendra und ich sind im selben Krankenhaus zur Welt gekommen. Im Howard-Spencer-Memorial-Hospital, einem riesigen Betonklotz mitten in LA.
Nur kam Kendra drei Monate und drei Tage vor mir.
Leek und meine Mutter haben mich Sky genannt, aber die Geschichte, warum ich so heiße, ist eine ganz andere.
2. HANNAH
Das Beste an Südkalifornien ist die Natur.
Wir haben eine Menge Zitronenbäume im Garten. Esther sagt, sie wachsen hier – Zitronenbäume, meine ich –, weil es vor langer, langer Zeit mal echte Landwirtschaft in dieser Gegend gegeben hat. Ist das zu glauben? Landwirtschaft in LA?
Wir wohnen im westlichen Gebiet von Beverlywood in einer ziemlich großen jüdischen Gemeinde. Von meinem Fenster aus kann ich die Synagoge sehen. Und es gibt jede Menge koschere Restaurants und Bäckereien hier.
Wir haben ein großes, schönes Haus, mein Vater hat seine Werkstatt im Erdgeschoss. Er ist Geigenbauer. Moshe E. Greenberg – Geigenbaumeister, Meister-Celli – Termine nach Vereinbarung steht auf einem goldenen Schild neben unserer breiten, verschnörkelten Haustür.
»Hannah?«
David schaute zur Tür herein.
»Was ist? Siehst du nicht, dass ich telefoniere?«
»Klar sehe ich das. Ich bin ja nicht blind«, sagte David. »Mit wem telefonierst du denn? Lass mich raten. – Mit Shar?«
David ist mein Bruder. Er ist zwei Jahre älter als ich und wird im Herbst aufs College gehen. Mit Shar meinte er Sharoni, meine beste Freundin. David mag sie, auch wenn er das nie direkt zugibt, denn ich glaube, er will sie eigentlich gar nicht mögen. Sie ist absolut nicht sein Typ. David ist religiös und Sharoni ist zwar jüdisch, aber ein absoluter Freak und damit das genaue Gegenteil von David. Sie ist vor einem Jahr aus New York hierher gezogen.
»Ja«, sagte ich knapp.
»Grüß sie«, verlangte David, rückte seine schwarze Kippah zurecht und steckte sie ungeduldig fest. David hat sehr widerspenstige schwarze Locken und seine Kippah verrutschte jedes Mal, kaum dass er sie aufgesetzt hatte.
»Hast du es gehört, Shar?«, fragte ich in den Hörer. »Dave, die Nervensäge, lässt grüßen …«
»Was sagt sie?« Mein Bruder kam näher. »Sie sagt, du bist ein Esel«, gab ich Shars Worte an David weiter.
Ich hab noch einen Bruder, Jonathan. Er ist jünger als ich, aber er hat dieselben schwarzen Locken wie David. Ich bin das einzige Mädchen und die einzige Ausnahme. Ich habe helle Haare.
»Du siehst ja nicht sehr jüdisch aus«, hat Sharoni an ihrem ersten Schultag in unserer Schule gesagt. Wir gehen auf eine private jüdische Schule im Distrikt, denn meine Eltern fürchten sich vor den öffentlichen Schulen und den Problemen, die es da mitunter gibt.
»Mein Großvater in Israel hat auch helle Haare«, antwortete ich ärgerlich.
»Meine Großmutter wohnt auch in Israel«, sagte Sharoni, während ich sie von Kopf bis Fuß musterte. Sharoni hat glattes schwarzes Haar, das bis zu ihren Hüften reicht. Aber sie hat einzelne Strähnen pink und lila eingefärbt und andere Strähnen mit bunten Wollfäden verflochten und in einzelne dieser dünnen bunten Zöpfe sind kleine Glöckchen an die Spitzen gebunden, sodass Shar immer leise klimpert und bimmelt, wenn sie sich bewegt. Sharonis Augen sind tiefschwarz und von dichten Wimpern überschattet. Ihre Klamotten kauft sie entweder auf dem Flohmarkt oder sie schneidert sie sich
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