Wenn es plötzlich Liebe ist
knöpfte er langsam sein Jackett auf und schnippte eine Fluse vom Hosenbein. Dann ertönte ein Stakkatogeräusch, weil er mit der Schuhspitze immer wieder gegen die Schreibtischecke trat. Seine Ungeduld fiel Grace immer als Erstes auf. Das und sein Aftershave.
Grace nieste hinter vorgehaltener Hand.
»Gesundheit«, sagte er beflissen. »Sie werden doch nicht etwa krank?«
Als hoffte er insgeheim, dass sie sich eine tödliche Krankheit eingefangen hätte.
»Ganz und gar nicht.« Grace setzte sich und bemerkte, wie sein Blick an ihr auf und ab zuckte. Sie wusste, dass diese Reaktion nichts Sexuelles an sich hatte. Er begehrte nicht sie, er begehrte ihren Job und den Sessel, auf den sie sich gerade gesetzt hatte.
Da summte sein Handy.
»Entschuldigen Sie«, sagte er und nahm es aus der Tasche des eleganten Jacketts.
Das Gespräch bestand aus einer ganzen Serie von Ja und Natürlich , so dass Grace überlegen konnte, wie lange sie ihn schon kannte. Er hatte vor Jahren auf der untersten Ebene bei ihnen angefangen und nur stundenweise in der Abteilung für Förderungsanträge gearbeitet, während er gleichzeitig einen Abschluss in Kunstgeschichte an der Universität von New York machte. Als Grace ins Direktorium berufen wurde, war er die Leiter schon höher geklettert, bis ihr Vater ihm schließlich einen Direktorposten anbot.
Er sah gut aus - ein schlanker, hochgewachsener Mann. Mit seinem Gehalt hatte sich auch die Qualität seiner Kleidung verbessert. Außerdem hatte er allmählich seinen Bronx-Akzent abgelegt, den man nur noch bemerkte, wenn er wütend wurde. Im Laufe der Jahre hatte er sehr umsichtig Machtpositionen angestrebt und stets erreicht, was er sich vorgenommen hatte, wobei ihm jedes Mittel recht war: harte Arbeit, offensichtliches Mobbing oder charmante Überredungskunst. Er war ein guter Mitarbeiter und hatte sich zu einem erstklassigen Finanzmanager entwickelt, weil er reichen Spendern und großen Firmen erstaunlich hohe Summen für die Stiftung abzuschwatzen vermochte. Seine Minuspunkte waren, dass er oft barsch auftrat und sehr ehrgeizig und frustiert war, weil er zugunsten von Cornelius’ Tochter übergangen worden war.
Momentan sah er sich nach einer anderen Stelle um, Grace verdankte diese Information Suzanna. Erst letzte Woche hatte sie angerufen und ihr mitgeteilt, dass Lamont sich im Museum erkundigt hatte, um eventuell die Abteilung für Spendenaktionen zu übernehmen. Suzanna, die im Aufsichtsrat saß, hatte ihn abgelehnt und ihm mitgeteilt, sie wolle die Beziehungen zwischen dem Museum und der Hall-Stiftung nicht riskieren. Offensichtlich war Lamont daraufhin sehr wütend geworden.
Jetzt schaltete er das Handy ab und steckte es wieder in die Tasche. »Wir müssen über den Jahresball reden. Es sind nur noch sechs Wochen. Ich muss die Sache wohl selbst in die Hand nehmen. Ich meine, Sie haben so viel zu tun, alles in den Griff zu bekommen, dass Sie unmöglich das auch noch organisieren können.«
Grace blitzte ihn kurz lächelnd an, streckte die Hand aus und nahm einen der goldenen Stifte ihres Vaters. Als sie damit spielte, bemerkte sie, wie Lamont ihn betrachtete, als wollte er ihn ihr aus der Hand reißen.
»Das ist sehr freundlich von Ihnen, Lou, aber für den Ball ist alles unter Kontrolle.«
»Ja? Warum hat sich Frederique noch nicht gemeldet?«
»Ich habe Frederique dieses Jahr nicht beauftragt und ihm das schon vor drei Wochen mitgeteilt.«
Lamonts Brauen zogen sich eng über der Nasenwurzel zusammen. »Aber wir haben immer mit ihm gearbeitet. Er veranstaltet Partys für alle, die zählen.«
»Ja, aber das ist vorbei. Nach dem Fiasko letztes Jahr, als er lebendige Elefanten ins Waldorf bringen wollte, haben manche Leute ernste Zweifel an seinen kreativen Fähigkeiten. Außerdem berechnet er manches doppelt. Mimi Lauer will ihn nach dem großen Ballet-Event auch nicht mehr. Ich
weiß auch, dass das Museum mit seinen Vorschlägen nicht gerade glücklich war.«
Wieder dachte sie an Suzanna.
»Aber ich habe ihm gestern mitgeteilt, dass wir seine Dienste wieder in Anspruch nehmen«, erwiderte Lamont mit gepresster Stimme.
»Dann korrigieren Sie das besser sofort.«
»Und wen stellen wir stattdessen ein?«
»Mich selbst.«
Lamont lachte laut auf. »Wir reden hier über fünfhundert der wichtigsten New Yorker Persönlichkeiten! Es ist der erste Ball seit dem Tod Ihres Vaters. Sie können es sich nicht leisten, dass es danebengeht.«
»Wir sind eine gemeinnützige
Weitere Kostenlose Bücher