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Wer Blut vergießt

Wer Blut vergießt

Titel: Wer Blut vergießt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Crombie
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brauchte, um mit ihr Aufnahmen zu machen. Caleb Hart und Tam kannten sich schon ewig, und als Tam ihm erzählt hatte, dass er einen guten Sessionmusiker an der Hand habe, hatte Hart diesen Auftritt vorgeschlagen, dem am nächsten Tag eine Probesession
in einem Studio in Crystal Palace folgen sollte, das er öfter benutzte. Er wollte Andy mit der Band hören, und Andy hatte den Fehler begangen, Nick und George den Grund für dieses Engagement zu verraten.
    Jetzt sagte Hart etwas in Tams Ohr und schüttelte den Kopf.
    Die Band holperte durch die letzten Takte von Nirvanas Smells Like Teen Spirit , und Andy trat der Schweiß der Verzweiflung auf die Stirn. Im Publikum rief jemand: »Mumford!«
    Aus einer anderen Ecke des Lokals konterte irgendein Witzbold mit » Stairway to Heaven , du Wichser!« Ein Stöhnen ging durch die Menge. »Stairway, Stairway« , skandierten die Freunde des Witzbolds, und im Publikum begann es zu brodeln. Die Temperatur im Pub war gestiegen, der Alkoholkonsum ebenso, und Andy wusste, dass die Stimmung sehr schnell kippen konnte.
    Stairway to Heaven stand bei den meisten Bands ganz oben auf der Liste der meistgehassten Titel, und Nick bekam den Gesangspart von Robert Plant beim besten Willen nicht hin. Aber Andy hatte die Leadgitarre von Jimmy Page hundertprozentig drauf, also trat er auf den Verzerrer und legte gleich mit dem Gitarrensolo los, das er mit einem bluesigen Reggae-Feeling spielte. Es dauerte keine Minute, bis die Menge vor Begeisterung stampfte.
    Als er wusste, dass er sie gepackt hatte, ging er zu Dr. Feelgoods Milk and Alcohol über, wobei er Wilko Johnsons Leadpart spielte und Lee Brilleaux’ raue Gesangsstimme imitierte. Gott sei Dank war die Nummer nicht allzu schwierig, sodass er gleichzeitig spielen und singen konnte.
    Erst als er den letzten Akkord anschlug und sich vor dem Publikum verbeugte, merkte er, dass er blutete. Er hatte sich in den linken Daumen geschnitten, doch die hellroten Blutspritzer waren auf dem roten Lack der Strat kaum zu sehen.
    »Zeit, mal die Luft aus den Gläsern zu lassen«, sagte er ins Mikro. »Wir sind gleich wieder da.«
    Er blickte suchend ins Publikum. Tam und Caleb Hart waren nirgendwo zu entdecken. Aber dann tauchte ein Profil in seinem Blickfeld auf – das Gesicht einer Frau, das nur ganz kurz im hinteren Teil des Raums zu sehen war, ehe sie wieder von den anderen Gästen verdeckt wurde. Dann war sie verschwunden, doch etwas hatte eine Erinnerung aufgewühlt; er war verwirrt und außer Atem, als ob plötzlich die ganze Luft aus dem Raum entwichen wäre.
    Dann hörte er George lachen – ein schrilles Kichern –, und er nahm wieder das Blut an seinem Daumen wahr, spürte wieder seine eigene Wut. »Ihr Arschlöcher«, fuhr er Nick und George an. »Was zum Teufel habt ihr euch dabei gedacht?«
    George hob ein volles Pintglas und prostete ihm ironisch zu. »Auf unseren Gitarrenstar.«
    »Ihr Arschlöcher«, wiederholte Andy. Er zitterte, und einen Moment lang fragte er sich, ob er vielleicht krank wurde. »Ihr habt mit voller Absicht …«
    Eine Hand zupfte an seinem Ärmel. »He, Alter.« Die Stimme klang leicht vernuschelt.
    Andy drehte sich um und sah sich einem Typen etwa in seinem Alter gegenüber, der einen zerschlissenen Kapuzenpulli trug. Als Andy ihn stirnrunzelnd ansah, schlug der Typ die Kapuze zurück und ließ seine braunen Haare sehen, die trotz des Kurzhaarschnitts irgendwie ungepflegt aussahen. Ein Lichtstrahl fiel auf das spärliche Kinnbärtchen unter seiner etwas zu vollen Unterlippe.
    »Hör mal«, sagte Andy, »ich bin hier mitten in einem …«
    »Hab’s doch immer gewusst, dass du mal richtig gut wirst. Schöne Gitarre.« Der Typ streckte die Hand nach der Strat aus.
    »Fass meine Gitarre nicht an!« Andys Reaktion war automatisch. Wieder zerrte die Erinnerung an ihm, und ihm war flau im Magen. »Du …« Er schüttelte den Kopf und sah sich das Gesicht des Typen noch einmal genauer an. Hätte er nur seine Brille mitgenommen. »Kennen wir uns?«
    »Ha, ha. War doch immer schon ein Scherzkeks, unser Andy.«
    Was zum Teufel wollte der Typ von ihm? Andy trat einen Schritt zurück. »Hör zu, verpiss dich einfach, ja? Und nenn mich nicht …«
    »Erinnerst du dich wirklich nicht an mich?« Der Typ mit dem Kinnbärtchen klang jetzt gereizt, und irgendetwas an seinem Tonfall gab seiner Erinnerung den entscheidenden Schub. Jetzt wusste er, wer dieser Typ war, der ihm die ganze Zeit schon irgendwie bekannt vorgekommen

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